das verlangt die Bahn von der Gewerkschaft der Lokomotivführer. Und zwar 5 Millionen Euro wegen des Warnstreiks am 10. Juli 2007. Damals hatte die GdL bundesweit Warnstreiks eingeleitet, die später vom Arbeitsgericht Frankfurt untersagt wurden, weil die Warnstreiks nach Ansicht des Arbeitsgerichts die Friedenspflicht verletzen. Die GdL hatte damals Forderungen erhoben, die auch Gegenstand der zwischen Bahn und Transnet und GDBA vereinbarten Tarifverträge waren.

Olle Kamelle eigentlich, denn inzwischen sprechen die beiden Sturköpfe Schell und Mehdorn ja wieder miteinander und es liegen ja zahlreiche Bergetappen zwischen dem Warnstreik und der aktuellen Situation.

Trotzdem hat die Bahn eine Schadensersatzklage beim Arbeitsgericht Frankfurt eingereicht. Theaterdonner? Wohl kaum. Ob die Streiks der GdL gegen die Friedenspflicht verstossen, ist die eine Sache. Das wird am Ende das Bundesarbeitsgericht entscheiden; die generelle Fragestellung hängt mit der Problematik der Tarifeinheit zusammen, die ja auch die anderen Rechtsstreitigkeiten zwischen Bahn und GdL ausgelöst hat. Die Schadensersatzklage hat mit diesem generellen Streit aber nichts zu tun. Es geht vielmehr um die Frage, ob die ursprünglichen Forderungen der GdL mit der Friedenspflicht im Einklang standen (nach Ansicht des Arbeitsgerichts Frankfurt nicht, Juracity berichtete). Die Tatsache, dass die GdL diese Forderungen nicht mehr erhebt, sprechen dafür (Juracity berichtete).

Damit ist aber die Frage nicht beantwortet, ob die Bahn Schadensersatz für den Warnstreik verlangen kann.  Das Bundesarbeitsgericht hat sich dazu (BAG vom 10.12.2002 – Aktenzeichen 1 AZR 96/02) wie folgt geäussert:

„Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats stellt ein von einer Gewerkschaft geführter rechtswidriger Streik eine Verletzung des durch § 823 Abs. 1 BGB geschützten Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb dar. Er führt zu einem Schadensersatzanspruch des Arbeitgebers, wenn die Organe der Gewerkschaft ein Verschulden trifft (vgl. BAG 9. April 1991 – 1 AZR 332/90 – AP GG Art. 9 Arbeitskampf Nr. 116 = EzA GG Art. 9 Arbeitskampf Nr. 98, zu I der Gründe mwN).“

Das Bundesarbeitsgericht sah in dem entschiedenen Fall eine Verletzung der relativen Friedenspflicht:

„Sofern von den Tarifvertragsparteien nicht ausdrücklich etwas anderes vereinbart ist, wirkt die Friedenspflicht nicht absolut, sondern relativ. Sie bezieht sich nur auf die tarifvertraglich geregelten Gegenstände (BAG 21. Dezember 1982 – 1 AZR 411/80 – BAGE 41, 209, 219, zu A II 1 a der Gründe; 27. Juni 1989 – 1 AZR 404/88 – BAGE 62, 171, 178, zu II 2 a der Gründe). Ihre sachliche Reichweite ist durch Auslegung der tariflichen Regelungen zu ermitteln (vgl. etwa Kissel Arbeitskampfrecht § 26 Rn. 81 ff.; MünchArbR/Löwisch/Rieble 2. Aufl. § 277 Rn. 5; Schumann in Däubler Arbeitskampfrecht 2. Aufl. Rn. 212; Wiedemann in Wiedemann TVG 6. Aufl. § 1 Rn. 682). Haben die Tarifvertragsparteien eine bestimmte Sachmaterie erkennbar umfassend geregelt, ist davon auszugehen, daß sie diesen Bereich der Friedenspflicht unterwerfen und für die Laufzeit des Tarifvertrags die kampfweise Durchsetzung weiterer Regelungen unterbinden wollen, die in einem sachlichen inneren Zusammenhang mit dem befriedeten Bereich stehen (vgl. etwa Bartz Die Friedenspflicht der Gewerkschaft bei Verbandswechsel des Arbeitgebers Dissertation 2002 S 158, 161; Jacobs ZTR 2001, 249, 254; MünchArbR/Löwisch/Rieble 2. Aufl. § 277 Rn. 5; Otto FS Wiedemann S 401 ff., 414 ff.; Wiedemann in Wiedemann TVG 6. Aufl. § 1 Rn. 682).“

BAG vom 10.12.2002 – Aktenzeichen 1 AZR 96/02

Das höchste deutsche Arbeitsgericht verurteilte daraufhin die streikende Gewerkschaft zu  einem Schadensersatz in Millionenhöhe.

Bahn und GdL werden aber um die Frage streiten, ob es sich um eine Nebenforderung handelte, für die gestreikt wurde oder nicht:

„Die Verletzung der Friedenspflicht und die Verfolgung rechtswidriger Ziele hat die Rechtswidrigkeit des gesamten Streiks zur Folge. Die Frage, ob bei einem Streik, der um den Abschluß eines zahlreiche Regelungen umfassenden Tarifvertrags geführt wird, bereits die Rechtswidrigkeit einer nur untergeordneten Forderung zur Rechtswidrigkeit des gesamten Streiks führt, bedarf keiner Klärung (offengelassen bereits in BAG 4. Mai 1955 – 1 AZR 493/54 – BAGE 2, 75). Jedenfalls dann, wenn es sich bei der die Friedenspflicht verletzenden oder rechtswidrigen Forderung um eine Hauptforderung handelt, führt dies zur Rechtswidrigkeit des gesamten Streiks (BAG 4. Mai 1955 – 1 AZR 493/54 – aaO). “

BAG vom 10.12.2002 – Aktenzeichen 1 AZR 96/02

Die Rechtslage ist daher nicht so eindeutig, wie die beiden Kontrahenten sie darstellen. Es wird entweder auf eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts hinauslaufen oder – wie nicht selten – beide Seiten decken den Mantel der Geschichte auf diese Streitigkeit nachdem eine Gesamteinigung erzielt werden konnte. Daran arbeiten die Parteien ja inzwischen intensiver.

Michael W. Felser
Rechtsanwalt
Felser Rechtsanwälte und Fachanwälte

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