Die Friedenspflicht ist ein Arbeitskampfverbot, das dem Arbeitgeber die Aussperrrung verbietet und der Gewerkschaft einen Streik. Die Friedenspflicht setzt voraus, dass zwischen den Arbeitskampfparteien bereits ein Tarifvertrag besteht.

Aus einem abgeschlossenen Tarifvertrag ergibt sich während der Laufzeit des Tarifvertrages für die Tarifvertragsparteien eine beiderseitige Friedenspflicht. Sie braucht nicht besonders vereinbart zu werden, sondern wohnt dem Tarifvertrag als einer Friedensordnung automatisch inne. Jede Tarifvertragspartei trifft die vertragliche Pflicht, keine Arbeitskämpfe gegen den Tarifvertrag zu führen und auch die Anstiftung ihrer Mitglieder zu einem solchen Arbeitskampf zu unterlassen. Die tariflich geregelte Materie soll während der Laufzeit des Tarifvertrages weiteren Auseinandersetzungen der Tarifvertragsparteien entzogen sein.

Das mit dem Tarifvertrag unmittelbar verbundene Kampfverbot bezieht sich daher auch nur auf die in dem betreffenden Tarifvertrag geregelten Gegenstände. Man spricht insoweit von einer relativen Friedenspflicht. Die relative Friedenspflicht untersagt also lediglich einen Arbeitskampf, der sich gegen den Bestand des Tarifvertrages an sich oder gegen einzelne seiner Bestimmungen richtet, also entweder seine Beseitigung oder Abänderung im Sinne einer nachträglichen Verbesserung oder Erweiterung anstrebt.

Eine Friedenspflicht kann auch darüber hinaus in einer besonderen Vereinbarung der Tarifvertragsparteien geregelt werden. So hatten GdL und Bahn unter der Moderation von Herrn Prof. Kurt Biedenkopf und Dr. Heiner Geißler sich verpflichtet, während des Verfahrens, mindestens bis einschließlich 27.08.2007, keine Streikmaßnahmen beim Fahrpersonal durchzuführen bzw. hierzu aufzurufen. Das Moderationsergebnis vom 27.08.2007 wurde wie folgt formuliert:

„(1.) Der Arbeitgeber ist bereit, Tarifverhandlungen zu führen,

einerseits mit der GDL, mit dem Ziel, bis 30. September 2007 einen eigenständigen Tarifvertrag abzuschließen, der Entgelt- und Arbeitszeitregelungen für Lokomotivführer umfasst,
andererseits mit der TG, um die Entgeltstruktur im Übrigen neu zu regeln.

(2.) Die Tarifverhandlungen werden parallel, jedoch in enger Kooperation zwischen TG und GDL geführt, mit dem Ziel, ein konflikt- und widerspruchsfreies Ergebnis zu erhalten.

(3.) Über die spezifischen Entgelt- und Arbeitszeitregelungen hinaus werden die sonstigen Tarifbedingungen von GDL und TG inhalts- und wortgleich zusammengefasst.

(4.) Während der Verhandlungen besteht Friedenspflicht.“

Aktuelle Rechtsprechung:

„Die gesetzliche, dem Tarifvertrag immanente – relative – Friedenspflicht eines Tarifvertrages verbietet den Tarifvertragsparteien, einen bestehenden Tarifvertrag inhaltlich dadurch in Frage zu stellen, dass sie Änderungen oder Verbesserungen vertraglich geregelter Gegenstände mit Mitteln des Arbeitskampfes erreichen wollen. Es ist nämlich gerade das Ziel von Tarifverträgen, eine Friedensordnung für deren jeweiligen Regelungsgegenstand zu treffen (BAG, Urt. v. 27.06.1989, EzA Art. 9 GG Arbeitskampf Nr. 94; BAG, Urt. v. 10.12.2002, AP Nr. 162 zu Art. 9 GG Arbeitskampf). Die sachliche Reichweite der relativen Friedenspflicht ist nach ganz h. M. nicht auf die Gegenstände begrenzt, die in einem Tarifvertrag eindeutig und explizit geregelt sind. Dementsprechend sind auch nicht nur solche Kampfmaßnahmen verboten, die auf eine direkte Änderung der Bestimmungen des laufenden Tarifvertrages gerichtet sind. Seit der Entscheidung des BAG vom 14.11.1958 (AP Nr. 4 zu § 1 TVG Friedenspflicht) geht die h. M. davon aus, dass die kampfweise Durchsetzung all derjenigen Tarifforderungen ausgeschlossen ist, die mit der tariflich geregelten Materie dergestalt in einem „inneren sachlichen Zusammenhang“ steht, dass ihre Erfüllung das wirtschaftliche Gewicht der in dem weiteren Tarifvertrag festgelegten Arbeitsbedingungen verändert (BAG, Urt. v. 10.12.2002, AP Nr. 162 zu Art. 9 GG Arbeitskampf).“

Arbeitsgericht Chemnitz vom 05.10.2007 Aktenzeichen: 7 Ga 26/07

Michael W. Felser
Rechtsanwalt
Felser Rechtsanwälte und Fachanwälte

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