Eine neue Entscheidung des Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 21.09.2006 Aktenzeichen 2 AZR 840/05, PM 59/06 klärt eine heftig umstrittene Frage des Kündigungsschutzgesetzes, die Mitarbeiter in kleineren Betrieben betrifft, die bei ihrem Arbeitgeber bereits vor dem Inkrafttreten des neuen Kündigungsschutzgesetzes, also dem 1.1.2004 beschäftigt sind.

Wer heute neu eingestellt wird, geniesst Kündigungsschutz nur dann, wenn er ein halbes Jahr im Betrieb beschäftigt wurde (sogenannte „Wartezeit“ nach § 1 Kündigungsschutzgesetz (KSchG), die gerne mit der „Probezeit“ nach § 622 BGB verwechselt wird) und der Beschäftigungsbetrieb mehr als 10 Arbeitnehmer hat (Azubis zählen nicht mit), so § 23 KSchG. Das gilt seit dem 1.1.2004, als das Kündigungsschutz geändert, aus Sicht der Arbeitnehmer verschlechtert wurde. Vorher reichten nämlich bereits 5 Kolleginnen und Kollegen im Betrieb, um allen Mitarbeitern Kündigungsschutz zu verschaffen. Mit dem neuen Kündigungsschutzgesetz 2004 wurde die Kleinbetriebsgrösse hochgesetzt, die Zahl der Betriebe also, in denen die Arbeitnehmer keinen Kündigungsschutz geniessen, vergrössert.

Nur wenn ein Mitarbeiter Kündigungsschutz hat, muss der Arbeitgeber einen Kündigungsgrund vorweisen können, wenn die Kündigung vor dem Arbeitsgericht landet. In Kleinbetrieben dagegen muss der Arbeitgeber keine Rechenschaft über den Grund der Trennung ablegen, nur sittenwidrige und willkürliche Kündigungen sind auch dort verboten.

So weit, so gut – oder wie die Gewerkschaften meinen: so schlecht. Strittig ist aber die Frage, was mit den Arbeitnehmern geschieht, die bereits vor der Gesetzesänderung eingestellt waren. Für diese sieht das neue Kündigungsschutzgesetz aus Vertrauensschutz eine Übergangsregelung vor.

Der Kündigungsschutz von Beschäftigten, die aus Vertrauensschutz auch nach der Änderung des Kündigungsschutzgesetzes bei Beschäftigung von 5 und mehr Kolleginnen und Kollegen im Betrieb nicht ohne Kündigungsgrund entlassen werden können, hängt damit von der Stabilität der Belegschaft ab. Betriebe mit grosser Fluktuation – meistens nicht die gesetztestreuesten Arbeitgeber – profitieren also von dieser Auslegung des Kündigungsschutzgesetzes. Ausserdem wird der Anreiz für Arbeitgeber gesteigert, sich von „Altbeschäftigten“ zu trennen, um in den vollen Genuss der Kleinbetriebsklausel zu kommen.

Also liebe Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in kleineren Betrieben, die bereits länger als seit Anfang 2004 beschäftigt werden: haltet Euch gut mit den Mitarbeitern, die ebenfalls vor dem 1.1.2004 eingestellt wurden und seid nett zueinander. Euer Kündigungsschutz hängt davon ab, dass Ihr beieinander bleibt!

Quelle: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 21.09.2006 Aktenzeichen 2 AZR 840/05, PM 59/06

Michael W. Felser
Rechtsanwalt
Rechtsanwälte Felser

Siehe dazu auch den Artikel: „Der Schutz vor willkürlichen Kündigungen bleibt“ in der Süddeutschen Zeitung vom 07.01.2004, für den Rechtsanwalt Felser interviewt wurde.

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