Das Hessische LSG weist in seiner Pressemitteilung vom 22.01.2007 zum Urteil – L 2 R 220/06 – noch einmal darauf hin, daß es Sache des überlebenden Ehegatten ist, die Annahme einer „Versorgungsehe“ bzw. „Nothochzeit“ zu entkräften, um in den Bezug von Witwenrente zu gelangen.

Nach § 46 Abs. 2a SGB VI liegt grundsätzlich die Vermutung einer Versorgungsehe vor, d.h. es wird vermutet, dass die Heirat nur dazu diente, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen, wenn die Ehe nicht mindestens ein Jahr gedauert hat, der Ehegatte also innerhalb eines Jahres nach der Eheschließung verstirbt.

Allerdings gilt diese Vermutung nicht, wenn davon ausgegangen werden kann, dass der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat nicht war, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen. Der überlebende Ehepartner kann also diese Vermutung widerlegen.

Die Vermutung ist widerlegt, wenn nach den besonderen Umständen des Falles die Annahme nicht gerechtfertigt ist, dass es der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen. Die gesetzliche Rentenversicherung kann sich in Bezug auf die Auslegung, wann besondere Umstände vorliegen, die die Vermutung einer Versorgungsehe widerlegen, an der zum Siebten Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) – bzw. zur Reichsversicherungsordnung (RVO) und zum Bundesversorgungsgesetz – ergangenen Rechtsprechung orientieren. Als besondere Umstände des Einzelfalles werden u.a. folgende Fälle angesehen:

● Vorhandensein gemeinsamer Kinder,

● Heirat erfolgt zur Sicherung der erforderlichen Betreuung/Pflege des ständig auf Pflege angewiesenen Versicherten, sofern mit dem Ableben auf absehbare Zeit nicht zu rechnen war.

Legitim ist auch der Wille eines Eheschließenden, sich durch die Heirat die nötige Betreuung und Pflege für eine Krankheit zu verschaffen bzw. der Wille des anderen Eheschließenden, dem kranken Versicherten durch die Heirat die nötige Betreuung und Pflege zukommen zu lassen. Der vorrangige Wunsch des Versicherten, seine persönliche Situation durch Eheschließung zu verbessern, ist eine ebenfalls eine billigenswerte Intention, die sogar etwaige andere Beweggründe der Witwe zurücktreten lassen. Zu den von der bloßen Versorgungsabsicht zu differenzierenden Beweggründen gehört auch etwa der Wunsch, künftig nicht mehr allein zu sein, also die Angst vor der Einsamkeit. Die Dauer nichtehelicher gemeinsamer Lebensführung oder die Dauer einer Beziehung kann ein Indiz für die Eingehung einer bloßen Versorgungsehe sein. Im Umkehrschluss wird man aber eine jahrzehntelange eheähnliche Gemeinschaft, der Erwerb und das Bewohnen eines gemeinsamen Grundstücks und die langjährige Verlobung als starkes Indiz gegen den Eingang einer Versorgungsehe werten müssen.

Die Entscheidung des Hessischen LSG verdeutlicht aber, daß es trotz des Grundsatzes der Amtsermittlung in der Regel Aufgabe des Hinterbliebenen bleibt, die Umstände, die die gesetzliche Vermutung widerlegen könnten, vorzutragen. Jedenfalls muß der Hinterbliebene insoweit mitwirken, daß der Sozialgerichtsbarkeit überhaupt die Möglichkeit der Amtsermittlung eröffnet wird. Das kann nach Auffassung der hessischen Landessozialrichter soweit gehen, daß der Hinterbliebene die Ärzte des Verstorbenen von der Schweigepflicht entbindet.

Eine Witwe, deren Ehegatte einen Monat nach der Ehelichung verstarb, beantragte erfolglos Witwenrente. Im den sozialgerichtlichen Verfahren wies sie darauf hin, daß die gesetzliche Vermutung der Versorgungsehe nicht greife, weil schon lange Heiratspläne bestanden hätten und außerdem der baldige Tod ihres Partners nicht absehbar gewesen sei. Das genügte dem LSG nicht, weil eine weitere Aufklärung nicht betrieben und insbesondere eine Prognose zu weiteren Lebenserwartung des Verstorbenen nicht angestellt werden konnte, weil die Klägerin die behandelnden Ärzte nicht von der Schweigepflicht entbinden wollte.

Fundstelle: Presseinformation Hessisches LSG vom 22.01.07 zum Urteil – L 2 R 220/06

Christian von Hopffgarten
Rechtsanwalt & Fachanwalt
für Arbeitsrecht
Rechtsanwälte Felser

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