Anders als das Landgericht Krefeld (Juracity berichtete) hat das Oberlandesgericht Düsseldorf in der Berufung entschieden, dass Kindern kein Vorwurf im Sinne eines Mitverschuldens gemacht werden könne, wenn sie ohne Helm Fahrrad fahren und in einen Unfall mit einem PKW verwickelt werden. Das OLG Düsseldorf:

„Der Senat ist der Auffassung, dass dem zur Unfallzeit zehn Jahre und zehn Monate alten Beklagten – entgegen der Ansicht des Landgerichts – aus dem Nichttragen eines Schutzhelms nicht der Vorwurf eines Mitverschuldens im Sinne des § 254 Abs. 1 BGB gemacht werden kann.

Die Frage, ob das Nichttragen eines Fahrradhelms mangels bestehender gesetzlicher Helmpflicht einen Obliegenheitsverstoß im Sinne der genannten Vorschrift begründen kann, wird in Rechtsprechung und Literatur nicht einheitlich beantwortet. Nach einer Ansicht soll § 254 BGB keine Anwendung finden, da keine gesetzliche Helmpflicht für Fahrradfahrer bestehe und der Bürger sich nicht verkehrsrichtiger verhalten müsse, als die amtlichen Stellen es vorgäben (vgl. OLG Nürnberg, Urteil vom 23.10.1990, NJW-RR 1991, 546 f., OLG Hamm, Urteil vom 26. September 2000, NZV 2001, 86 f.). Demgegenüber erachtet eine verbreitete Meinung in der Literatur zwar das Kriterium der gesetzlichen Helmtragepflicht für unbeachtlich und will stattdessen darauf abstellen, ob die Verkehrsanschauung das Helmtragen für geboten hält (vgl. Staudinger-Schiemann BGB, § 254, Rn. 51). So geht Schiemann davon aus, dass das Tragen eines Schutzhelms inzwischen so verbreitet sei, dass man wohl schon von einer allgemeinen Überzeugung sprechen könne; einschränkend und differenzierend insbesondere für Kinder und Sportfahrer Münchner Kommentar-Oetker BGB, § 254, Rn 42.

Nach den Informationen der Bundesanstalt für Straßenwesen trugen in der Altersgruppe bis zehn Jahre in 2002 33 %, in 2003 38 % und in 2004 41 % der Kinder innerorts einen Fahrradhelm, wobei über alle Altersgruppen hinweg der Anteil der helmtragenden Fahrradfahrer in 2002 5 %, in 2003 6 % und in 2004 ebenfalls 6 % betrug. Unabhängig davon, ob insoweit bereits von einer Verkehrsanschauung überhaupt gesprochen werden kann, stehen im vorliegenden Fall Umstände in Gestalt des Alters des Beklagten sowie der besonderen Örtlichkeit (Privatgelände/Garagenhof) der Annahme eines Mitverschuldens entgegen. Die Frage eines Mitverschuldens ist von der Warte des zum Unfallzeitpunkt zehn Jahre und zehn Monate alten Beklagten zu beantworten. Kinder dieses Alters sind nicht ohne weiteres in der Lage, Gefahren in vollem Umfang zu erkennen. Sie neigen vielmehr oft noch zu spontanen, unüberlegten, unvorsichtigen beziehungsweise unsicheren Verhaltensweisen. Ihre Einsicht in die Notwendigkeit einer Eigensicherung ist erfahrungsgemäß noch begrenzt. Das gilt insbesondere für ihr Spielen auf einem Privatgelände beziehungsweise Garagenhof außerhalb des öffentlichen und weit gefahrenträchtigeren Straßenverkehrs. Unter diesen besonderen Umständen kann der Senat einen Verstoß gegen § 254 Abs. 1 BGB wegen Fahrens ohne Schutzhelm nicht bejahen.“

Damit hob das OLG Düsseldorf die Entscheidung des LG Krefeld auf, das eine hälftige Schadensteilung angenommen hatte. Man kann dem OLG Düsseldorf nur zustimmen. Die Entscheidung des OLG ist rechtskräftig.

Michael W. Felser
Rechtsanwalt
Rechtsanwälte Felser

Kommentierungsfunktion ist momentan abgeschaltet.