Das OLG Stuttgart (Aktenzeichen 17 UF 151/06) hat entschieden, dass in einem Sorgerechtsverfahren die Anhörung der Kinder nur durch den Familienrichter nicht ausreichend ist, wenn die Kinder seelisch stark belastet und daher nicht in der Lage sind, ihre Wünsche und Vorstellungen dem Richter klar mitzuteilen.

In dem entschiedenen Fall haben die Eltern um das Aufenthaltsbestimmungsrecht gestritten, das einen Teilbereich des Sorgerechts darstellt. Die Kinder waren 7 und 11 Jahre alt. In diesem Alter werden die Kinder in Sorgerechtsstreitigkeiten üblicherweise durch den Familienrichter angehört, der durch die Anhörung herausfinden soll, bei welchem Elternteil die Kinder leben möchten. Die Kinder waren bei der Anhörung durch den Richter jedoch in einer sehr angespannten und emotional verschlossenen Gemütsverfassung und haben sich daher gegenüber dem Richter nicht klar geäußert, ob sie nun lieber bei der Mutter oder dem Vater leben wollten.

In einer solchen Situation, so hat das OLG Stuttgart angenommen, müsse, um den wahren Wunsch der Kinder herauszufinden, das Jugendamt und ein Verfahrenspfleger die häusliche Situation der Eltern klären und mit den Kinder zu Hause in einer unbelasteten Atmosphäre Gespräche führen.

Der Verfahrenspfleger ist gewissermaßen der „Anwalt der Kinder“ und hat die Aufgabe, die Vorstellungen und Probleme der Kinder zu ermitteln, und zwar unbeeinflusst von den Eltern. Wenn die Kinder sich in einem Loyalitätskonflikt befinden, es also beiden Elternteilen recht machen wollen, kann häufig nur durch einen Verfahrenspfleger geklärt werden, welche Äußerungen der Kinder auf einer unverfälschten und unbeeinflussten Willensbildung beruhen. Wenn der Familienrichter daher Anhaltspunkte hat, dass eine Anhörung durch ihn nicht geeignet ist, den wirklichen Wunsch der Kinder zu ermitteln, so muss er einen Verfahrenspfleger für das Kind bestellen.

Eva Gerz
Rechtsanwältin &
Fachanwältin für Familienrecht
Rechtsanwälte Felser

Kommentierungsfunktion ist momentan abgeschaltet.