Der Kollege Felser hatte bereits an anderer Stelle die Affäre um Deutschlands größten Radstar aus arbeitsrechtlicher Sicht beleuchtet. Es ging zwischenzeitlich auch durch die Presse, daß gegen die Radprofis Jan Ullrich und Oscar Sevilla und auch gegen den ehemaligen Sportlichen Leiter des T-Mobile-Teams, Rudy Pevenage, bei der Staatsanwaltschaft Bonn am 07.07.2006 durch die Kriminologin und Professorin der Universität Bielefeld, Britta Bannenberg, Strafanzeige wegen Betrugs und Verstoßes gegen das Arzneimittelgesetz gestellt worden ist.

Professorin Bannenberg äußerte in der Presse, daß sie erstaunt ist, daß die Telekom keine Anzeige gegen die Genannten erstattet hat. In ihrer Anzeige soll es nach weiteren Pressestimmen heißen „Es dürfte davon auszugehen sein, dass Ullrich T-Mobile über die Verwendung unerlaubter Substanzen getäuscht hat und diese auf Grund entsprechenden Irrtums Gehalt und Prämien an ihn ausgezahlt haben.“.

Angesichts dieser Angaben bedarf es zunächst der Klarstellung, daß Ullrich, Sevilla und Pevenage weder mit der T-Mobile International AG & Co. KG, die Sponsor des Teams T-Mobile ist, noch mit der Deutsche Telekom AG in einem Anstellungsverhältnis standen. Jedenfalls Gehaltszahlungen dürften sie von dieser Seite überhaupt nicht erhalten haben. Zwischen Ullrich und der T-Mobile International AG & Co. KG soll es lediglich eine „Absichtserklärung“ über eine etwaige Beschäftigung Ullrichs nach dem Karriereende im Unternehmen gegeben haben, von der sich der Sponsor zwischenzeitlich aber auch „gelöst“ haben will. Der Fahrer- bzw. Arbeitsvertrags Ullrichs ist nach Verlautbarungen der Beteiligten seinerzeit allein mit der Olaf Ludwig Cycling GmbH mit Sitz in Stolberg abgeschlossen worden. Die OLC GmbH ist Inhaberin einer Lizenz für den Betrieb eines Profi-Rennstalls. Sie soll ihrerseits mit der T-Mobile International AG & Co. KG eine Sponsoring-Vereinbarung bis einschließlich 2008 haben. Im Hinblick auf erhaltene Gehaltszahlungen dürfte es daher präziser sein, über einen Betrug zu Lasten der OLC GmbH nachzudenken.

Der § 263 StGB setzt voraus, daß der Täter eine Täuschungshandlung begeht, die zum einem Irrtum bei dem Getäuschten führt. Der Getäuschte muß durch den Irrtum dazu veranlaßt werden, eine Vermögensverfügung zu treffen. Hierbei geht es um eine Handlung, mit der der Getäuschte sein oder bei entsprechender Verfügungsberechtigung das Vermögen eines Dritten unmittelbar mindert. All dies muß des weiteren zu einem Vermögensschaden nach wirtschaftlicher Betrachtungsweise führen. Schließlich ist in subjektiver Hinsicht erforderlich, daß der Täter Vorsatz bezüglich des objektiven Tatbestandes und Bereicherungsabsicht hat.

Prof. Dr. Mehle lehnte in einem Beitrag zum 1. Internationalen Sport-Recht Kongreß in Bonn im Jahr 1999 die Annahme eines Betrugs zu Lasten der Zuschauer ab, weil angesichts der öffentlichen Diskussion um das Thema Doping eine Irrtumserregung nicht nachvollziehbar und außerdem ein Vermögensschaden nicht ersichtlich sei, weil der Zuschauer mit dem Eintrittsgeld einen Anspruch auf den Besuch des Wettkampfes, den er ja auch schließlich wahrnimmt, erhält. Im Radsport dürfte zusätzlich gegen eine Relevanz des Betrugstatbestandes zu Lasten des Zuschauers sprechen, daß die überwiegende Mehrheit der Zuschauer keinen Eintritt bezahlt. Auch ein Betrug zu Lasten des Konkurrenten komme nicht in Betracht. Dieser unterlasse zwar täuschungsbedingt die Geltendmachung eines eigenen Anspruchs, bsplw. auf eine Siegprämie. Dieser Umstand sei aber nicht deckungsgleich mit der Bereicherung, die der dopende Sieger anstrebe.

Prof. Dr. Mehle erwägt, daß im Hinblick auf den Veranstalter eine Täuschung durch den Sportler erfolgen kann, weil dieser durch seine Teilnahme suggeriert, nicht gedopt zu haben. In der Auszahlung der Prämie könne auch durchaus eine auf der Täuschung und dem Irrtum beruhende Vermögensverfügung liegen. Zweifelhaft sei aber der Aspekt des Vermögensschadens, weil der Veranstalter bei wirtschaftlicher Betrachtung letztlich die Prämie auch gegen über dem „ehrlichen“ Gewinner ausbezahlen müßte. U. u. könne er zwar vom Unterlegenen in Anspruch genommen werden, was aber nicht hinreichend konkret im Sinne des § 263 StGB sei.

Bleibt die Frage nach dem Betrug zu Lasten des Arbeitgebers offen. Denkbar ist hier sicherlich vor allem Betrug in Form des Eingehungsbetruges. In der Vergangenheit erreichte Erfolge wirken, ohne daß dies ernsthaft bezweifelt werden könnte, bei der Bestimmung der arbeitsvertraglichen Koordinaten Gehalt und Laufzeit des Vertrages mit. Es wurde vor kurzem noch in der Boulevardpresse kolportiert, daß Ullrich zwischen 2 und 2,5 Millionen Euro Jahressalär erhalten soll, während andere Fahrer, die ebenfalls an der Tour der France teilnehmen, Gehälter lediglich im fünfstelligen Bereich beziehen sollen. Es gibt zwar Indizien, daß Ullrich bereits 2005 verbotene Mittel während der ersten Tour-Woche zu sich genommen hat. Zu diesem Zeitpunkt bestand aber das Arbeitsverhältnis jedenfalls zum damaligen Inhaber Goodefroot bereits, so daß hier wohl keine Täuschung zum Zeitpunkt des Vertragsschlußes angenommen werden kann. Schwierig dürfte allerdings auch in diesem Zusammenhang die Frage nach dem Vermögensschaden insbesondere dann zu beantworten sein, wenn der Fahrer nicht nur seine Leistung erbringt, sondern auch noch Erfolg hat, weil er letztlich genau das erbringt, was er schuldet und von ihm erwartet wird. Ein Schaden kann sich für den Rennstall ergeben, wenn der Sponsor aufgrund des Dopings das Sponsoring aufgibt. Allerdings stellt sich auch hier wieder das Problem, daß zwischen der angestrebten Bereicherung des dopenden Fahrers (höheres Gehalt) und dem wirtschaftlich zu bewertenden Rückzug des Sponsors keine Stoffgleicheit bestehen dürfte.

Christian von Hopffgarten
Rechtsanwalt & Fachanwalt
für Arbeitsrecht
Rechtsanwälte Felser

9 Kommentare

  1. paul
    3. Oktober 2006 07:37

    auch wenn man statt des eingehungsbetruges von der ’normalen‘ betrugsform ausgeht [also etwa (auch) für 2005 die aufrechterhaltung eines irrtumes ….] bleibt das problem der rechtswidrigen Bereicherungsabsicht:

    hierbei sind vorrangig folgende zwei erfordernisse fraglich:

    a) die Absicht, sich einen Vermögensvorteil zu verschaffen: Es muss dem Täter gerade darauf ankom­men, sich oder einem konkreten Dritten einen materiellen Vorteil zu verschaffen (Absicht = zielge­richtetes Wollen).

    b) Rechtswidrigkeit dieses Vorteils: Der Täter darf keinen zivilrechtlichen Anspruch auf den erlangten Vermögens­wert besitzen. Geht er irrtümlich davon aus, dass ein solcher Anspruch besteht, liegt ein Tatbestandsirrtum nach § 16 StGB vor.

    ad a) wird der nachweis, daß es einem leistungssportler bei dem griff zu dopingmittel gerade auf die erlangung eines materiellen vorteils ankommt schwierig zu erbringen sein: mag ein solcher auch dann im motivbouquet mitschwingen, wenn in erster linie sportlicher erfolgshunger oder eitelkeit die hand führt, reicht diese ‚kleine aster‘ neben der orchidee nämlich gerade nicht.

    ad b) ist schwieriger zu beantworten. führt die aufrechterhaltung des irrtums zur zivilrechtlichen anfechtbarkeit des ullrich-ludwig vertrages (die ja dann rückwirkend den vertrag als rechtsgrund beseitigt)?
    liegt ein tatbestandsirrtum vor (der sportler mag sich sagen: ich bringe doch die leistung, die von mir erwartet wird …)

    frischeres wissen mögen mich hierzu aufklären.