Zur Klärung der Frage, ob eine Tariftreueklausel im Landesvergabegesetz des Landes Niedersachsen gegen die Dienstleistungsfreiheit nach Art. 49 EG verstösst, hat das Oberlandesgericht Celle mit Beschluss vom 18.07.2006 (verkündet am 03.08.2006) unter dem Aktenzeichen 13 U 72/06 – Volltext) dem EuGH zur Entscheidung vorgelegt:

„Dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften wird zur Auslegung des EGVertrages gemäß Art. 234 EG folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Stellt es eine nicht gerechtfertigte Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit nach den EGVertrag dar, wenn dem öffentlichen Auftraggeber durch ein Gesetz aufgegeben wird, Aufträge für Bauleistungen nur an solche Unter nehmen zu vergeben, die sich bei der Angebotsabgabe schriftlich verpflichten, ihren Arbeitnehmern bei der Ausführung dieser Leistungen mindestens das am Ort der Ausführung tarifvertraglich vorgesehene Entgelt zu bezahlen ?“

Hintergrund: Der Bundesgerichtshof hatte bereits 2000 (BGH, Beschluss vom 18.1.2000 – KVR 23/98) das Bundesverfassungsericht angerufen (und blieb bis heute ohne Antwort …), um zu klären, ob das Berliner Vergaberecht, dass ebenfalls eine Tariftreueerklärung vorsieht, verfassungsgemäss ist. Der Beschluss hat im Jahr 2000 eine Aufsatzflut ausgelöst, die kurz danach aber verebbte. Die Vorlage des OLG Celle dürfte die Diskussion wiederbeleben.

Tariftreueklauseln sollen im Vergaberecht sicherstellen, dass beim Vergabewettbewerb gleiche Bedingungen herrschen und nicht der Bewerber den Auftrag erhält, der die Angebote der Mitbewerber mit Lohndumping unterbietet.

Michael W. Felser
Rechtsanwalt
Rechtsanwälte Felser

2 Kommentare

  1. RA Felser
    22. August 2006 22:26

    Die Situation in Berlin ist übrigens folgende:

    „Der Bundesgerichtshof (BGH) hat das Berliner Vergabegesetz dem
    Bundesverfassungsgericht (BVerfG) zur Überprüfung der Verfassungskonformität vorgelegt. Bis zur Entscheidung des BVerfG gilt dieses Gesetz nicht für den Bereich der öffentlichen Bauaufträge des Landes Berlin, die den Straßenbau betreffen. Der BGH bestätigt damit die Feststellung des Bundeskartellamtes, dass in diesem Bereich das Land Berlin eine marktbeherrschende Stellung einnimmt und die Forderung nach
    Tariftreue die nichttarifgebundenen Unternehmen entgegen geltendem
    Wettbewerbsrecht unzulässigerweise vom Wettbewerb ausschließt. Das
    Bundeskartellamt hat in seiner Entscheidung deshalb die Anwendung
    der Tariftreueklausel für den Bereich des öffentlichen Straßenbaus in
    Berlin untersagt.“

    Aus dem Bericht zur Bekämpfung der Schwarzarbeit der Senatsverwaltung für Wirtschaft, Arbeit und Frauen:

    http://www.berlin.de/SenwiarbFrau/doku/arbeit/schwarz0304.pdf#search=%22tariftreueklausel%20lohndumping%22

    So lässt sich natürlich auch Schwarzarbeit nicht bekämpfen. Die Rechtsprechung erleichtert im Gegenteil illegale Beschäftigung.