Hurra, der TV-L ist da?

Na ja. Er liegt im Trend, der Kompromiss, den Arbeitgeber und Gewerkschaften für die Länder nach langem Ringen doch noch gefunden haben. In Zeiten angespannter öffentlicher Haushalte hängen die Trauben höher als sonst. Der einheitliche Tarifvertrag im öffentlichen Dienst, der Bundesangestelltentarifvertrag (kurz BAT genannt) drohte allerdings durch kleinstaatliche Rechthaberei in einer Zersplitterung der Tariflandschaft unterzugehen. Immerhin das konnte mit dem gefundenen Kompromiss verhindert werden: Am Ende haben sie sich doch zusammengerauft, die Länder und die Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes. Der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst – Länder (TV-L) ähnelt – nicht ganz überraschend – in seiner Grundstruktur dem TVÖD. Wie dort wird die besitzstandswahrende Überleitung der Beschäftigten in das neue Tarifrecht auch in den Ländern in einem eigenen, noch zu vereinbarenden Überleitungstarifvertrag (TVÜ) geregelt.

Zukünftig gibt es keine „Arbeiter“ und „Angestellten“ mehr, sondern nur noch „Beschäftigte“. Die bisherigen Vergütungsgruppen werden durch 15 Entgeltgruppen abgelöst. Zum TVÖD wird zur Zeit eine entsprechende Entgeltordnung erarbeitet, die die bisherigen Vergütungsordnungen ablösen und vereinfachen soll. Man darf also gespannt sein. Die bisherigen Aufstiegsregelungen entfallen völlig. Alle Beschäftigten werden in das neue System übergeleitet, allerdings unter Besitzstandswahrung. Das Entgelt wird zukünftig, d.h. ab dem 1.1.2007 stärker leistungsorientiert ausgerichtet, für den TVÖD ist vor wenigen Tagen der entsprechende Leistungs-TV Bund vereinbart worden. Auf die Personalräte kommt trotzdem zusätzliche Arbeit zu, denn der Leistungs-TV verlagert viele Aufgaben bei der Umsetzung in die Dienststellen. Die Arbeitszeiten sind in den Ländern unterschiedlich festgesetzt worden, in NRW wird die regelmässige Arbeitszeit zukünftig 39,72 Stunden wöchentlich betragen. Der TV-L sieht eine stärkere Flexibilisierung der Arbeitszeit vor. Auch hierzu haben die Tarifvertragsparteien viele Entscheidungen in die Dienststellen delegiert. Die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall wird zukünftig mit der gesetzlichen Regelung synchronisiert und nur noch sechs Wochen geleistet, danach gibt es bis zur 39. Woche einen Zuschuss zum von der Krankenkasse gezahlten Krankengeld. Die Unkündbarkeitsregelung konnte allerdings gesichert werden, was in anderen Tarifwerken nicht immer gelang. Änderungen gibt es auch bei den bei Nebenjobs zu beachtenden Regeln.

Der neue Tarifvertrag sieht weder lebensaltersbezogene oder familienbezogenen Entgeltbestandteile mehr vor. Das betrifft vor allem die Neueinstellungen. Für die übergeleiteten Beschäftigten werden diese Entgeltbestandteile in Form einer Besitzstandszulage auch über den 01.11.06 hinaus gewährt. Dabei kann es allerdings nach den Erfahrungen mit dem TVÖD zu Problemen kommen. Betroffen sind Kolleginnen und Kollegen, deren Partner ebenfalls im öffentlichen Dienst als Beamter oder Beamtin tätig und Bezieher des Kindergeldes sind. Wenn der Partner nur in Teilzeit beschäftigt ist, wird die Besitzstandszulage nur im Verhältnis der Teilzeit, z.B. nur zu 50 %, gewährt. Unter Umständen kann sich ein Wechsel in der Kindergeldberechtigung vorteilhaft auswirken.

Die Arbeitnehmerhaftung folgt nunmehr nicht mehr dem Beamtenrecht, sondern den arbeitsrechtlichen Grundsätzen, die das Bundesarbeitsgericht entwickelt hat. Man kann darin eine Verschlechterung sehen, da das Beamtenrecht eine Haftung erst ab grober Fahrlässigkeit vorsah. Nach den Grundsätzen der Arbeitnehmerhaftung haben Arbeitnehmer für jede Form der Fahrlässigkeit oberhalb der leichten Fahrlässigkeit einzustehen, allerdings hat die Rechtsprechung die Haftung stark eingeschränkt, so dass die Grundsätze der Arbeitnehmerhaftung eine Privilegierung gegenüber den allgemein im Zivilrecht geltenden Haftungsregeln darstellen. Die Arbeitnehmerhaftung ist wegen der Vielzahl zu beachtender Gesichtspunkte etwas komplizierter als die Haftung der Beamten. Die Rechtsprechung:

Ob und gegebenenfalls in welchem Umfang der Arbeitnehmer an den Schadensfolgen zu beteiligen ist, richtet sich im Rahmen einer Abwägung der Gesamtumstände, insbesondere von Schadensanlaß und Schadensfolgen, nach Billigkeits- und Zumutbarkeitsgesichtspunkten.

Zu den Umständen, denen je nach Lage des Einzelfalles ein unterschiedliches Gewicht beizumessen ist und die im Hinblick auf die Vielfalt möglicher Schadensursachen auch nicht abschließend bezeichnet werden können, gehören der Grad des dem Arbeitnehmer zur Last fallenden Verschuldens, die Gefahrgeneigtheit der Arbeit, die Höhe des Schadens, ein vom Arbeitgeber einkalkuliertes oder durch Versicherung deckbares Risiko, die Stellung des Arbeitnehmers im Betrieb und die Höhe des Arbeitsentgelts, in dem möglicherweise eine Risikoprämie enthalten ist. Auch können unter Umständen die persönlichen Verhältnisse des Arbeitnehmers, wie die Dauer seiner Betriebszugehörigkeit, sein Lebensalter, seine Familienverhältnisse und sein bisheriges Verhalten, zu berücksichtigen sein.

Die Darlegungs- und Beweislast für das Verschulden trägt allerdings der Arbeitgeber. Man wird abwarten müssen, ob sich zukünftig in der Praxis eine stärkere Inanspruchnahme von Beschäftigten durchsetzt. Risiken bestehen insoweit bei mittlerer Fahrlässigkeit. Die Interessenvertretungen sollten die Entwicklung jedenfalls im Auge behalten.

Der Text des TV-L liegt noch nicht vor.

Michael W. Felser
Rechtsanwalt
Rechtsanwälte Felser


www.bundesangestelltentarifvertrag.de: Infos zu BAT und TVÖD und TV-L …

www.arbeitnehmerhaftung.de: weiterführende Informationen zur Arbeitnehmerhaftung, u.a. eine Powerpointpräsentation

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