Genauer oder besser richtiger: in der kündigungsschutzfreien Wartezeit nach § 1 KSchG. Das entschied das Landesarbeitsgericht in Thüringen, weil es die Kündigung eine Sanktion für die Arbeitsunfähigkeit eines Mitarbeiters ansah und gab dessen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe statt.

„Im Falle ihrer Herausnahme aus dem gesetzlichen Kündigungsschutz sind Arbeitnehmer nicht völlig schutzlos gestellt. Wo die Bestimmungen des Kündigungsschutzgesetzes nicht greifen, sind die Arbeitnehmer durch die zivilrechtlichen Generalklauseln vor einer sitten- oder treuwidrigen Ausübung des Kündigungsrechts des Arbeitgebers geschützt. Im Rahmen dieser Generalklauseln ist auch der objektive Gehalt der Grundrechte zu beachten. Der verfassungsrechtlich gebotene Mindestschutz des Arbeitsplatzes vor Verlust durch private Disposition ist damit in jedem Fall gewährleistet. Wie weit dieser Schutz im Einzelnen reicht, ist von den Arbeitsgerichten zu entscheiden. In sachlicher Hinsicht geht es vor allem darum, Arbeitnehmer vor willkürlichen oder auf sachfremden Motiven beruhenden Kündigungen zu schützen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 27.01.1998 – 1 BvL 15/87 -, NJW 1998, 1475). Insofern können außerhalb des Geltungsbereichs des Kündigungsschutzgesetzes ausgesprochene Kündigungen insbesondere wegen Sittenwidrigkeit (§ 138 Abs. 1 BGB) oder wegen eines Verstoßes gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB) rechtsunwirksam sein (vgl. hierzu vor allem BAG, Urteil vom 23.06.1994, NJW 1995, 275).“

so das Landesarbeitsgericht in dem Beschluß. Das Landesarbeitsgericht hielt die Kündigung sogar für sittenwidrig, wenn sie denn tatsächlich eine Sanktion für die Arbeitsunfähigkeit des Mitarbeiters darstellen sollte.  Das hatte der Arbeitnehmer durch eine Zeugin unter Beweis gestellt.

Quelle: LAG Thüringen vom 19.06.2007 Aktenzeichen 5 Ta 55/07 Volltext

Anmerkung: In den ersten sechs Monaten eines Arbeitsverhältnisses besteht unabhängig von der Betriebsgrösse kein Kündigungsschutz, sog. „Wartezeit“, die regelmässig mit der Probezeit verwechselt bzw. durcheinandergebracht wird. Arbeitnehmer können daher von Gesetzes wegen in den ersten sechs Monaten, egal wie lange die vereinbarte Probezeit dauert, die Kündigung nicht auf ihre soziale Rechtfertigung nach § 1 KSchG oder die Beachtung der Sozialauswahl, sondern nur auf Sittenwidrigkeit, eine Diskriminierung oder auf Massregelung oder Verstoss gegen  Treu und Glauben überprüfen lassen.

Im Prozesskostenhilfeverfahren wird grundsätzlich der Vortrag des Antragstellers für die Entscheidung, ob Prozesskostenhilfe gewährt wird, unterstellt. Im vorliegenden Fall entscheidet sich daher erst im normalen Verfahren, ob die Kündigung trotz der Wartezeit unwirksam ist oder nicht. Das wird nur der Fall sein, wenn der Arbeitnehmer, der dafür beweispflichtig ist (anders als unter der Geltung des Kündigungsschutzgesetzes), nachweisen kann, dass die Kündigung eine Sanktion für die Krankmeldung war.
Michael W. Felser
Rechtsanwalt
Felser Rechtsanwälte und Fachanwälte

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