Das Arbeitsgericht München hat entschieden, dass eine längere Freistellung (Suspendierung) von den Aufgaben den Verlust des rechtlichen Status eines leitenden Angestellten zur Folge hat. Es hat die Kündigung eines nach seiner Freistellung nur noch als „ehemaligen“ leitenden Angestellten anzusehenden Arbeitnehmers für unwirksam erklärt, weil der Arbeitgeber den Betriebsrat nicht nach § 102 BetrVG zu der Kündigung angehört hatte:„Die erkennende Kammer hat bereits erhebliche Zweifel, ob der Kläger tatsächlich jemals zum Kreis der Leitenden Angestellten i. S. v. § 5 Abs. 3 BetrVG gezählt werden konnte. Der diesbezügliche Vortrag der Beklagten, insbesondere zur tatsächlich praktizierten selbständigen Einstellung und Entlassung von Mitarbeitern, durfte dafür nicht ausreichen. Darauf kommt es aber letztendlich für die Entscheidung der Kammer nicht an, da der Kläger jedenfalls zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung am 01.07.2003 nicht mehr Leitender Angestellter im oben genannten Sinne war, da er bereits seit 01.10.2002, also seit fast neun Monaten vor Ausspruch der Kündigung, von allen bisherigen Aufgaben durch Freistellung entbunden war. Die bloß formale Übertragung von Aufgaben und Befugnissen im – unverändert gebliebenen – Arbeitsvertrag reicht nicht aus. Ein Arbeitnehmer kann nur dann und so lange Leitender Angestellter sein, wie er tatsächlich nach innen und außen die Aufgaben und Befugnisse ausübt, die seinen Status als Leitenden Angestellten begründen. Dass dies beim Kläger jedenfalls zum Zeitpunkt des Kündigungszugangs noch der Fall gewesen sei, ist aufgrund der Freistellung nicht nur vorübergehend, sondern seit fast neun Monaten ausgeschlossen.

Da der Kläger somit zum Zeitpunkt des Kündigungszugangs nicht mehr Leitender Angestellter war, hätte die Beklagte den bei ihr bestehenden Betriebsrat und nicht den Sprecherausschuss der Leitenden Angestellten zur beabsichtigten Kündigung anhören müssen. Die streitgegenständliche Kündigung ist deshalb wegen Verstoßes gegen § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG unwirksam.“

ArbG München, Urteil vom 26.08.2004 – Aktenzeichen 28 Ca 12794/03

Das Arbeitsgericht Leipzig ist dem gefolgt:

„Eine erfolgte Freistellung von den vertraglichen Aufgaben hindert den Angestellten an der Wahrnehmung der eingeräumten Befugnisse und kann Einfluss auf den Status des leitenden Angestellten haben (ArbG München, a. a. O.). Für den Status des leitenden Angestellten genügt es nicht, wenn ein Angestellter nach dem Vertrag die Personalkompetenz im Sinne des § 14 Abs. 2 KSchG aufweist, diese vertragliche Kompetenz aber über einen längeren Zeitraum nicht ausübt (BAG 10.10.2002 – 2 AZR 598/01 in DB 2003, 506 f.).“

ArbG Leipzig, Urteil vom 15.11.2005 – Aktenzeichen 17 Ca 2088/05

Allerdings dürfte dies nicht ohne weiteres bei einer normalen Freistellung (Suspendierung) während Beendigungsverhandlungen gelten:

„Es genügt nicht, wenn ein Angestellter nach dem Vertrag die Personalkompetenzen im Sinne des § 14 Abs. 2 KSchG oder des § 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BetrVG aufweist, die vertraglich eingeräumten Kompetenzen aber über einen längeren Zeitraum nicht ausgeübt werden. Dies gilt z.B. dann, wenn eine übereinstimmend vorgetragene Vertragspraxis eine frühere Vereinbarung „überholt“ hat. Nur wenn die Einschränkung der Tätigkeit eines leitenden Angestellten aus Anlass des Auslaufens des Arbeitsverhältnisses als Teilsuspendierung zu werten ist, ändert sich an dem rechtlichen Status als leitenden Angestellten hierdurch nichts (BAG, Urt. vom 23.03.1976 – 1 AZR 314/75 – AP Nr. 14 zu § 5 BetrVG 1972).“

Landesarbeitsgericht Hamburg, Urteil vom 05.05.2004 – Aktenzeichen 4 Sa 25/02

„Entgegen der Ansicht der Revision ist dem Landesarbeitsgericht schließlich darin zu folgen, daß die 1972 erfolgten Einschränkungen des Handlungsspielraums des Klägers an seinem rechtlichen Status als leitender Angestellter nichts geändert haben. Es handelte sich hierbei um Teilsuspendierungen des Klägers von den ihm übertragenen Aufgaben; die Einschränkungen erfolgten nämlich aus Anlaß der vorgesehenen Beendigung des Arbeitsverhältnisses und sind, um diesen Umstand in einer natürlichen Weise zu würdigen, als Freistellungen aufzufassen. Eine Suspendierung änderte aber an dem Rechtsstatus des Klägers nichts.“

BAG, Urteil vom 23.03.1976 – Aktenzeichen 1 AZR 314/75

Allerdings risikiert ein Arbeitgeber bei einer längerfristigen Freistellung, ggf. während eines Kündigungsrechtsstreits und nach einer weiteren Kündigung, dass der Status sich ändert und dann die Rechtsstellung des leitenden Angestellten im Hinblick auf den Kündigungsschutz (§ 14 KSchG) und die Anhörung der Arbeitnehmervertretung (Sprecherausschuss oder Betriebsrat) stärker wird.

Michael W. Felser
Rechtsanwalt
Felser Rechtsanwälte und Fachanwälte
Brühl (Köln/Bonn)

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