Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) entschied am 03.04.2007 im Fall einer Mitarbeiterin einer englischen Schule (Case of Copland versus the United Kingdom, Application no. 62617/00), dass der Arbeitgeber nicht berechtigt sei, den dienstlichen Telefonanschluss , die E-Mails und den dienstlichen Internetzugang zu überwachen. Der Gerichtshof sprach der Klägerin, deren Arbeitsplatz PC seit 1995 von dem Schuldirektor überwacht wurde, ein Schmerzensgeld von 3000 Euro zu. Nach Ansicht des EGMR verstösst die Überwachung der Internetnutzung, der Telefonnutzung und des E-Mailverkehrs gegen Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention:
Artikel 8 EMRK
Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens
(1) Jede Person hat das Recht auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens, ihrer Wohnung und ihrer Korrespondenz.
(2) Eine Behörde darf in die Ausübung dieses Rechts nur eingreifen, soweit der Eingriff gesetzlich vorgesehen und in einer demokratischen Gesellschaft notwendig ist für die nationale oder öffentliche Sicherheit, für das wirtschaftliche Wohl des Landes, zur Aufrechterhaltung der Ordnung, zur Verhütung von Straftaten, zum Schutz der Gesundheit oder der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer.
Da es keine gesetzliche Grundlage für die Überwachung gab, obsiegte die Klägerin. Die Entscheidung gilt allerdings nur für Behörden, also den öffentlichen Dienst. Allerdings auch für den deutschen öffentlichen Dienst. Wie sich aus einem früheren Beitrag in diesem Blog ergibt, ignorieren deutsche Dienstherren (in diesem Fall der Senat der Stadt Berlin) das Verbot allerdings genauso wie die Briten. Selbst das Bundesarbeitsgericht geht in seinen aktuellen Entscheidungen auf dieses Verbot nicht ein, sondern geht ohne nähere Prüfung wie selbstverständlich davon aus, dass es zulässig ist, die dienstliche Nutzung der Kommunikation am Arbeitsplatz zu überwachen. Viele Kündigungen wären wohl für unwirksam erklärt worden, wenn die Entscheidung des EGMR früher ergangen wäre. Das wird sich wohl jetzt auch ändern, denn Art. 8 MRK gilt in ganz Europa, nicht nur in England. Allerdings gilt das Verbot der Überwachung nur für öffentliche Arbeitgeber, also den öffentlichen Dienst. Private Arbeitgeber dürfen demnach weiterhin von der Gültigkeit der Urteile des Bundesarbeitsgerichts zur privaten Nutzung von Telefon, Internet und E-Mail ausgehen. Im öffentlichen Dienst müssen allerdings vermutlich einige Dienstvereinbarungen überarbeitet werden, die eine Überwachungsmöglichkeit vorsehen. Denn eine Dienstvereinbarung ist keine gesetzliche Grundlage, die Art. 8 MRK fordert. Und Kündigungen oder Abmahnungen wegen der privaten Nutzung von Diensttelefon, Internet und E-Mail dürfte im öffentlichen Dienst erst einmal die Grundlage entzogen sein.
Michael W. Felser
Rechtsanwalt