wenn das ordnungsgemäße Zustellungsverfahren vom Zusteller eingehalten worden ist. Das Einwurfeinschreiben ist allerdings kein Vollbeweis und auch seit der Privatisierung der Post keine öffentliche Urkunde mehr, so das OLG Saarbrücken (Urteil vom 20.03.2007 Aktenzeichen Aktenzeichen: 4 U 83/06-24). Das Gericht liess sich gleichwohl vom Zugang überzeugen:

“Für die Zugangsbehauptung der Beklagten streitet bereits der Beweis des ersten Anscheins (aa.), der vom Kläger nicht entkräftet werden konnte (bb.).

aa. Für den rechtzeitigen Zugang der mittels Einwurfeinschreibens übersandten Kündigung spricht nach den Grundsätzen des Anscheinsbeweises der von der Beklagten im Berufungsverfahren erstmals vorgelegte Auslieferungsbeleg der Deutschen Post AG (GA I 219). Dieser Beleg war – ebenso wie das Beweisangebot des Zeugen H. – als neues Verteidigungsmittel der Beklagten gemäß § 531 Abs. 2 Nr. 1 ZPO zuzulassen, weil es für die Entscheidung des Landgerichts auf den genauen Zeitpunkt des Zuganges nicht angekommen ist.

Der von der Beklagten vorgelegte Auslieferungsbeleg des Postzustellers mit dem Datum „28.06.05“ bietet für sich allein zwar noch keinen Vollbeweis für den fristgerechten Zugang; insbesondere die – formelle – Beweisregel des § 418 ZPO greift nicht ein, weil – ungeachtet, ob es sich bei einem Auslieferungsbeleg überhaupt um eine Urkunde handelt (ablehnend Reichert, NJW 2001, 2535) – der vorgelegte Beleg nach der Privatisierung der vormaligen Deutschen Bundespost jedenfalls keine öffentliche Urkunde i.S.d. § 415 Abs. 1 ZPO darstellt (vgl. Reichold in: Thomas/Putzo, ZPO, 25. Auflage 2003, § 415 Rn. 1).

Der Beleg genügt aber nach den Grundsätzen des Anscheinsbeweises für den Beweis des rechtzeitigen Zugangs, wenn das ordnungsgemäße Zustellverfahren von dem Zusteller eingehalten worden ist, im Fall des Einwurfeinschreiben also, wenn die Zustellung erst nach dem Einwurf von dem betreffenden Mitarbeiter des Zustelldienstes unter zutreffender Datumsangabe bestätigt wurde (vgl. Reichert a.a.O.; Palandt/Heinrichs, a.a.O., § 130 Rn. 21, MünchKomm, a.a.O).

bb. Nach Vernehmung des Zeugen H., dem Zusteller des Kündigungsschreibens vom 27.6.2005, ist der Senat von der Einhaltung eines ordnungsgemäßen Zustellungsverfahrens i.S.d. § 286 ZPO überzeugt. Wenngleich der Zeuge keine Erinnerung mehr an den konkreten Vorgang hatte, so hat er glaubhaft geschildert, dass er den Auslieferungsbeleg von Einwurfeinschreiben erst nach der Zustellung unterschreibe und dass das im Beleg angegebene Datum im Regelfall auch den Tag des Einwurfs belege. Die einzige vom Zeugen geschilderte Ausnahme, dass es zu einem Auseinanderfallen zwischen dem aufgefüllten Zustelldatum und der tatsächlichen Zustellung kommen könnte, betrifft den hier ersichtlich nicht einschlägigen Fall der Zustellung eines Einschreibens gegen Empfangsbekenntnis. Beim Einwurfeinschreiben komme, so der Zeuge, ein Auseinanderfallen ausnahmslos nicht vor. Dem Senat sind die Schilderungen des Zeugen nachvollziehbar und verständlich. Ein einsichtiger Grund, weshalb der Zustellbeleg beim Einwurfeinschreiben ein unzutreffendes Datum enthalten könnte, ist nicht feststellbar. Insbesondere die vom Zeugen geschilderten Schwierigkeiten, ein Einschreiben gegen Empfangsbekenntnis am selben Tag zuzustellen, an dem der Auslieferungsbeleg mit Datum erstellt wurde, bestehen beim Einwurfeinschreiben nicht. Denn anders als beim Einschreiben gegen Empfangsbekenntnis bedarf es zur Zustellung des Einwurfeinschreibens nicht des persönlichen Antreffens des Empfängers, sondern nur des problemlosen Einwurfs in dessen Briefkasten. Auch zeigen sich keine Bedenken gegen die Glaubwürdigkeit des Zeugen. Wie aus dem Sitzungsprotokoll ersichtlich ist, war dem Zeugen an einer umfassenden Schilderung der genauen Umstände der Einschreibenzustellung gelegen. Dass er im genannten Ausnahmefall des Einschreibens mit Rückschein ein Abweichen des tatsächlichen Zustelldatums von dem Datum des Beleges eingeräumt hat, spricht zudem für sein Bestreben, zur vollständigen und wahrheitsgemäßen Aufklärung beizutragen, ohne etwaige Unregelmäßigkeiten verdecken zu wollen.”

Es gibt Beklagte, die bekommen offenbar nie Post, egal wie sie zugestellt wird.

Auch das Einschreiben mit Rückschein ist nicht risikolos, denn die meisten “ahnungsvollen” Adressaten holen das Schreiben einfach nicht ab, nachdem sie den Benachrichtigungszettel im Briefkasten gefunden haben. Dazu sind die Empfänger auch nicht verpflichtet.

Michael W. Felser
Rechtsanwalt

1 Kommentar

  1. Jochen Hoff
    12. Juni 2007 07:27

    Ich finde es immer wieder putzig, wie jemand dazu gezwungen werden soll, irgendwelchen Kram als zugestellt zu akzeptieren. Es ist doch ganz einfach. Mit Zeugen zu jemandem gehen und ihm den Brief in die Hand drücken und das ganze dokumentieren. Schon ist zugestellt. Schaffen die in den USA schon seit ewigen Zeiten.

    In meinem Mülleimer für die Werbeindustrie befinden sich zwischen den 30 völlig blödsinnigen Sendungen manchmal auch drei oder viier wichtige Sendungen. Wenn davon eine in eine Werbezeitung rutscht, ist sie weg. Wenn der Zusteller sie drei Häuser weiter einwirft habe ich Glück. Die bringen sie, aber zwei Häuser weiter, schmeißen die alles weg.

    Ich habe im Schnitt pro Woche zwei Fehlauslieferungen für Fremde. Am besten ist allerdings der Postbote der von mir erwartet für ein Geschäft in meinem Hause mit dem ich nichts zu tun habe, eine Zustellungsurkunde abzuzeichnen die ich selber beantragt habe.

    Nein meine Herren Anwälte. So geht es einfach nicht mehr. Wir haben kein Zustellungswesen und deshalb sollten wir diesen Anscheinsbeweis schleunigst in den Müll packen.

    Auch wenn dann die Hälfte aller Verfahren schon deshalb nicht zustande kommen, weil die Zustellung zu teuer wäre. Die armen Abmahnanwälte.