Auf der Schnäppchenjagd geraten viele Menschen in den „Kostenlos-Rausch“, was, wie jeder Rausch, den Verstand bekanntlich vernebelt. Geiz und Gier gepaart mit Naivität sind der Honig, auf dem so mancher Schnäppchenjäger als Beute kleben bleibt.

Heute erhielt ich ein Mail eines mir nicht näher bekannten Lesers meiner Blogbeiträge, in dem der Schreiber zunächst beklagte, dass er meine Tipps für die Anwaltssuche zu spät gelesen habe, um mir dann den Sachverhalt mit der Bitte um einen (vermutlich kostenlosen Rat) zu unterbreiten: „Auf der Suche nach einem guten Anwalt, bin ich auf eine Internet-Seite gestossen auf der ein kostenloses Erstgespräch einer Anwältin angeboten wurde.“ Tatsächlich erhielt er nach dem Gespräch eine Rechnung über 100 Euro, die nach Hinweis auf das kostenlose Erstgespräch auf 75 Euro herabgesetzt wurde. „Was halten Sie davon, was kann ich tun?“

Mein Antwort fiel deutlich aus: „Sehr geehrter Herr xy, gut und kostenlos, so blaue Augen kann man doch gar nicht haben oder? Für wie dumm halten Sie gute Anwälte, dass diese ihre Leistungen kostenlos anbieten?“. Ich habe dem Mailschreiber abschliessend mitgeteilt, dass er meine Tipps wohl immer noch nicht verstanden hat.

Natürlich wäre es rechtswidrig, ein Erstgespräch abzurechnen, wenn ein kostenloses Erstgespräch zugesagt war. Ich vermute allerdings, dass der Wunsch hier Vater des Gedankens war, denn wer arbeitet schon unentgeltlich? Meine Mandanten jedenfalls nicht.

Eine Mandantin, eine mit allen Wassern gewaschene Immobilienmaklerin, hat es einmal auf den Punkt gebracht: „Herr Felser, wenn die Erstberatung kostenlos wäre, wie könnte ich dann sicher sein, dass Ihre eventuelle Empfehlung, zu klagen, mehr in meinem Interesse ausgesprochen wäre, als in Ihrem?“ Jeder der auch nur ein bisschen nachdenkt, bezahlt für eine Leistung, die in einer Beratung besteht, gerne.

Um keine Missverständnisse hervorzurufen: Nicht alles, was teuer ist, ist auch gut. Aber was kostenlos ist, muss einfach irgendwie von irgendwem doch bezahlt werden, oder? Im Internet gilt: wenn es nichts kostet, bist Du das Produkt.

Viele Anwälte arbeiten – dabei die Mischkalkulation nutzend – auch auf der Basis nicht kostendeckender Prozesskostenhilfe und Beratungshilfe für Bedürftige Menschen. Das ist wichtig und richtig, damit recht und Gesetz nicht vom Geldbeutel abhängen. Diese Leistung ist in der Anwaltschaft ungleich verteilt, was zu kritisieren ist. In gut verdienende Großkanzleien verirrt sich selten ein Ratsuchender mit Beratungshilfeschein oder Anspruch auf Prozesskostenhilfe, obwohl jeder Anwalt dafür zur Verfügung stehen muß.

Wer es sich also nachweislich nicht leisten kann, hat Anspruch auf staatliche Unterstützung für anwaltliche Hilfe. Wer es sich leisten kann, muß für die Beratung also auch zahlen.

Zu glauben, dass Anwälte umsonst beraten würden, ist daher mehr als naiv. Diejenigen Anwälte, die damit werben, wollen definitiv nicht den ganzen Tag umsonst beraten, diese Rechnung würde nicht aufgehen. Also sind es zwangsläufig „Lockvogelangebote“ zum Nachteil des Ratsuchenden. Sie sind berufsrechtlich verboten, weil dahinter eine wettbewerbswidrige Absicht steckt. Gute und seriöse Anwälte haben das weder nötig noch würden sie es tun.

Es verstößt aber auch gegen Denkgesetze, zu glauben, eine kostenlose Beratung werde genauso objektiv sein wie eine korrekt entlohnte Beratung. Gerade vor dem Hintergrund der Anwaltsschwemme wird am Ende derjenige, der glaubt, die vermeintlich für ihn als Verbraucher günstige Situation ausnutzen zu können, das Opfer sein. Denn wer kaum genug zum Überleben erwirtschaftet, ergreift jede Gelegenheit, aus einer „kostenlosen“ Beratung eine teure Klage zu machen. Diejenigen, die kostenlose Erstgespräche anbieten, gehören definitiv nicht zur ersten Garde, die den Beruf aus Berufung ergriffen haben.

Eine Beratungsleistung, die billig oder gar kostenlos angeboten ist, führt daher häufig zu einem Schaden, der die vermeintlich gesparten Kosten übersteigt. Das kann ein schlechter Rat von einem schlechten Anwalt sein. Das kann eine überflüssige oder aussichtslose Klage sein, die aber immerhin dazu führt, dass sich die Beratung gelohnt hat. Jedenfalls für den billigen Anwalt.

Also: behandeln Sie den Anwalt Ihres Vertrauens fair und bezahlen Sie für seine Leistungen. Er wird es Ihnen mit entsprechender Fairness danken.

Echte Cleverles können aber Geld sparen, wenn Sie einen wirklich guten Anwalt suchen und finden. Der kostet nämlich meist genau soviel oder genau so wenig wie jeder x-beliebige Anwalt. Die Anwaltsgebühren sind nämlich gesetzlich festgelegt. Man kann – anders als beim Autokauf – tatsächlich mehr Leistung für das gleiche Geld bekommen.

P.S.: Mein Kollege erzählt mir gerade von einem neuen Mandat, bei dem ein Mandant ein seltendes Fahrzeug zu einem weit unter Listenpreis liegenden Verkaufspreis angeboten bekommen hat, eine Anzahlung geleistet hat und überrascht ist, Betrügern aufgesessen zu sein. Das Prinzip kommt mir bekannt vor.  Mal schaun, was wir da für ihn tun können.

Michael W. Felser
Rechtsanwalt
Felser Rechtsanwälte und Fachanwälte

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