Bei der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfalle gibt es ebenfalls verbreitete Rechtsirrtümer, die alle Rechtsgebiete zieren. Eines davon ist das Gerücht, dass Drachenfliegen, Extremklettern und Kickboxen die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfalle gefährden können. Das seien „Risikosportarten“. Stimmt nicht, ist ein Rechtsirrtum. Allerdings hat das Arbeitsgericht Hagen entschieden:
„Die Kick-Boxer fallen zur Überzeugung der Kammer auf eine Art und Weise übereinander her, daß es selbst dem geübten „Kick-Boxer“ nicht möglich ist, ohne mehr oder weniger schwere Verletzungen aus dem Kampf hervorzugehen. Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichtes zum Amateurboxen (Urteil vom 01.12.1976 in AP Nr. 42 zu § 1 LFZG) nötigt zu keiner anderen Sicht. Das Bundesarbeitsgericht führt im wesentlichen aus, daß das Amateurboxen, sofern es unter ständiger Trainerbetreuung ausgeübt werde, nicht zu einer besonders gefährlichen Sportart zu zählen sei.“
ArbG Hagen vom 15.09.1989 Aktenzeichen: 4 Ca 648/87
Na, der erste Satz deutet bereits darauf hin, dass es sich hier um eine sehr persönliche Meinung eines Gerichts handelt. Sachlicher stellt das Landesarbeitsgericht in Mainz fest:
“ Eine besonders gefährliche Sportart wird nur dann ausgeübt, wenn die mit der Sportart verbundenen Risiken unbeherrschbar sind. Zur Feststellung dieser Risiken sind Erhebungen über die Unfallhäufigkeit nicht geeignet. Maßgebend ist allein die Frage der persönlichen Eignung des Arbeitnehmers, diese Sportart auszuüben. Nur wenn er seine persönlichen Fähigkeiten überschätzt, kommt ein Eigenverschulden in Betracht. Allein die Teilnahme an der Deutschen Motorradrennsportmeisterschaft begründet kein die Entgeltfortzahlung ausschließendes Verschulden. Für einen erfolgreichen Teilnehmer (9. der Saison) ist die Ausübung dieser Sportart nicht besonders gefährlich.“
Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz vom 29.10.1998 Aktenzeichen: 5 Sa 823/98
Also: der offensichtlich unter Bluthochdruck leidende und nicht mehr ganz nüchterne Thekenfussballer, der an jedem 26. Wochenende mal den Ball tritt, riskiert eher die Entgeltfortzahlung als der durchtrainierte Amateurboxer, der sich jeden Abend im Ring schlägt. Statistisch gesehen ist übrigens das Fussballspielen eine sehr gefährliche Sportart.
Michael W. Felser
Rechtsanwalt
Felser Rechtsanwälte und Fachanwälte