Das OVG NRW hat entschieden, dass sofern bei einer zweiten juristischen Staatsprüfung das Prüfungsgespräch wegen eines Verfahrensfehlers zu wiederholen ist, kein Anspruch auch auf Wiederholung des Aktenvortrages besteht (Urteil vom 09.10.2007, Az.: 14 A 2873/06).

Die Richter führten aus, dass in den Fällen, in denen eine Prüfungsleistung verfahrensfehlerhaft erbracht wurde, eine Neubewertung nicht möglich ist. Sie sei daher zu wiederholen. Sofern wie hier das Juristenausbildungsgesetz und die Juristenordnung keine Regelungen enthielten, sei nach gefestigter prüfungsrechtlicher Rechtsprechung das erneute Prüfungsverfahren aufgrund der sich aus Art. 3 Abs. 1 und Art. 12 Abs. 1 GG ergebenen verfassungsrechtlichen Gebote derart zu gestalten, dass der Prüfling den geringstmöglichen Nachteil erleide, jedoch auch Begünstigungen vermieden werden. Dem Gebot der Nachteilsvermeidung könne in der Regel dadurch Rechnung getragen werden, dass der Prüfling nur denjenigen selbständigen Prüfungsteil wiederholt, dem der Mangel anhafte. Hingegen sei die Wiederholung auch anderer Prüfungsteile, ohne dass dafür ein zwingender Grund bestehe, nicht zulässig. Ansonsten würde dem Prüfling unter Verstoß gegen das Gebot der Chancengleichheit eine zusätzliche Möglichkeit gewährt, für weitere Prüfungsleistungen eine Notenverbesserung zu erreichen. Maßgeblich sei demnach allein, ob der Aktenvortrag und das Prüfungsgespräch aufgrund der für die Prüfung einschlägigen Regelungen (hier: JAG 1993, JAO 1993) selbständige und unabhängig voneinander zu bewertende Prüfungsteile seien oder aber die mündliche Prüfung eine unteilbare Leistung darstelle. Nach Ansicht der Richter ist den der Prüfung zugrunde liegenden Vorschriften zu entnehmen, dass es sich bei Aktenvortrag und Prüfungsgespräch um zwei getrennte Teile der mündlichen Prüfung handelt. Soweit § 37 a Abs. 1 JAO 1993 anordne, dass der Prüfungsausschuss Vortrag und Prüfungsgespräch nach Beendigung der mündlichen Prüfung bewertet, sei damit keine Rechtsgrundlage für eine Gesamtbetrachtung geschaffen, mit der die Prozentanteile der beiden Prüfungsteile und damit deren gesetzlich vorgegebene Gewichtung relativiert würde. Zwar sei die Prüfungswirklichkeit dadurch geprägt, dass bei normalem Prüfungsverlauf Aktenvortrag und Prüfungsgespräch an einem Tag stattfinde. Es sei daher nicht von der Hand zu weisen, dass der im einen Teil gewonnene persönliche Eindruck – unabhängig von seinem Inhalt – auch auf den anderen Teil ausstrahlen könne. Allerdings begründe nicht jede Möglichkeit eines Einflusses auf die Entscheidung des Prüfers eine Gefahr für die ordnungsgemäße Erfüllung der Prüferpflichten. Die Richter gaben an, dass der Gesetzgeber grundsätzlich von dem Bild eines Prüfers ausgehen darf, der zu einer eigenverantwortlichen, selbständigen und normgerechten Bewertung bereit und in der Lage ist. Der Prüfling habe nur dann einen Anspruch auf Wiederholung des Aktenvortrages, wenn bei objektiver Betrachtungsweise bei Bewertung oder Durchführung des gehaltenen Aktenvortrages gegen die Prüferpflichten verstoßen wurde. Dazu habe der Prüfling jedoch nichts vorgetragen. Daher sei durch den erst im Prüfungsgespräch erfolgten Verfahrensfehler der Aktenvortrag nicht berührt.

Fundstelle: OVG NRW, Urteil vom 09.10.2007, Az.: 14 A 2873/06

Linda Krickau
Rechtsreferendarin
Kanzlei Felser

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