Tja, es sieht ganz so aus, denn mit dem Arbeitsgericht Mainz hat bereits das zweite Arbeitsgericht diese Woche die Warnstreiks der Lokführer und Zugbegleiter im Wege der einstweiligen Verfügung wegen Verstosses gegen die Friedenspflicht für unzulässig erklärt. Am Montag hatte bereits das Arbeitsgericht Düsseldorf darauf hingewiesen, dass die Gewerkschaft der Lokführer (GdL) neben Entgelterhöhungen auch die Abänderung ungekündigter Tarifverträge fordere und hatte deswegen die Warnstreiks in NRW untersagt. Das Arbeitsgericht Mainz verbot heute sogar die Warnstreiks mit bundesweiter Wirkung und unterlegte den Spruch mit einer saftigen Sanktion: Im Fall der Zuwiderhandlung droht ein Ordnungsgeld von bis zu 250 000 Euro oder eine Ordnungshaft von bis zu sechs Monaten. Das bedeutet, dass die GdL bis zur Aufhebung dieser Entscheidungen nicht streiken darf. Oder zahlen muss. Sie kann gegen die erstinstanzlichen Entscheidungen zwar vorgehen (Widerspruchsverfahren) und das Landesarbeitsgericht Düsseldorf bzw. das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz anrufen; bis zu deren Entscheidung ist die GdL aber an die Entscheidungen der Arbeitsgerichte gebunden.

Das ist aus zwei Gründen eine echte Schlappe: zum einen stärkt diese “Fesselung” durch die einstweiligen Verfügungen die Verhandlungsposition der GdL für die für Freitag geplanten Gespräche nicht. Schliesslich sollte durch die Warnstreiks tüchtig Druck auf die Bahn gemacht werden. Bahnchef Mehdorn hatte stets deutlich gemacht, dass er eigentlich keinen eigenständien Tarifvertrag für die Lokführer will, weil er gestern bereits einen für alle Mitarbeiter der Bahn mit transnet und GDBA vereinbart hat. Nur diesen wird er der GdL am Freitag vorlegen. Zum anderen hätte die GdL aber aus dem Tarifkonflikt 2003 lernen können und wohl auch müssen. Damals hatte das Hessische Landesarbeitsgericht bereits in gleicher Situation entschieden, dass die GdL (ebenso wie die Kabinengewerkschaft UFO beim Flugpersonal) zwar einen eigenständigen Spartentarifvertrag verlangen könne, aber dabei die Friedenspflicht gegenüber ungekündigten Tarifwerken beachten müsse:

Bei einem Zusammentreffen zulässiger und unzulässiger Kampfziele ist der Arbeitskampf jedenfalls dann, wenn es sich nicht um nachrangige Nebenziele handelt, stets als rechtswidrig anzusehen, weil hinsichtlich der rechtswidrigen Ziele mittelbar Druck auf den Streikgegner ausgeübt wird (BAG Urteil vom 10. Dezember 2002 – 1 AZR 9.6/02 – EzA Art 9 GG Arbeitskampf Nr. 134; MünchArbR/Otto, 2. Aufl., § 285 Rz. 24 m.w. Nachw.).

Und weil hier 2003 Verstösse vorlagen, die einstweilige Verfügung des Arbeitsgerichts Frankfurt weitgehend bestätigt.

Auch im aktuellen Tarifkonflikt scheint die GdL erneut ungekündigte Tarifverträge und damit eine relative Friedenspflicht übersehen zu haben. Denn beide Arbeitsgerichte haben festgestellt, dass die GdL Forderungen aufgestellt hat, die auch ungekündigte Tarifteile betreffen. Das verwundert deshalb, weil die GdL aufgrund der Ausführungen des Landesarbeitsgerichts in Frankfurt eigentlich hätte gewarnt sein müssen. Warnstreiks trotz Warnurteil? Möglicherweise scheitert die GdL auch in der Tarifrunde 2007 wieder – nicht wegen fehlender Tariffähigkeit, sondern mangels Tarifgeschicklichkeit.

Michael W. Felser
Rechtsanwalt
Felser Rechtsanwalt und Fachanwälte

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