Personalgestellung nach § 4 Abs. 3 TVÖD ade?

Ist die Personalgestellung nach § 4 Absatz 3 TVÖD  und anderen Tarifverträgen, die diese Regelung übernommen haben, als tariflich erlaubte dauerhafte Arbeitnehmerüberlassung seit Inkrafttreten des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes (AÜG 2011) noch zulässig?

Es gibt jedenfalls ein Problem der Personalgestellung nach § 4 Abs. 3 TVÖD mit der EU-Leiharbeitsrichtlinie und dem neuen AÜG 2011.

§ 4 Absatz 3 TVÖD erlaubt ausdrücklich die auf Dauer angelegte Beschäftigung von Beschäftigten des öffentlichen Dienstes bei einem Dritten (z.B. GmbH eines öffentlichen Trägers oder eines privaten Trägers).

§ 4 TVÖD lautet:

 (3) 1Werden Aufgaben der Beschäftigten zu einem Dritten verlagert, ist auf Verlangen des Arbeitgebers bei weiter bestehendem Arbeitsverhältnis die arbeitsvertraglich geschuldete Arbeitsleistung bei dem Dritten zu erbringen (Personalgestellung). 2§ 613a BGB sowie gesetzliche Kündigungsrechte bleiben unberührt. Protokollerklärung zu Absatz 3: 1Personalgestellung ist – unter Fortsetzung des bestehenden Arbeitsverhältnisses – die auf Dauer angelegte Beschäftigung bei einem Dritten. 2Die Modalitäten der Personalgestellung werden zwischen dem Arbeitgeber und dem Dritten vertraglich geregelt.

Auch für die tarifvertraglich erlaubte Gestellung nach § 4 Abs. 3 TVÖD hat jedenfalls das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg (Beschluss vom 17.04.2013 Aktenzeichen: 4 TaBV 7/12, JURIS, Rechtsbeschwerde eingelegt) entschieden:

Soweit § 4 Abs. 3 TVöD die dauerhafte Überlassung von Arbeitnehmern gestattet, verstößt diese Norm gegen höherrangiges Recht und ist unwirksam.

Da die tarifliche Erlaubnis in § 4 Abs. 3 TVÖD höherrangigem Recht entsprechen muss und nach der Gesetzesänderung dem AÜG und der EU-Leiharbeitsrichtlinie widerspricht, ist die tarifliche Vorschrift unwirksam. Die Gestellung ist danach nicht mehr zulässig. Da das Bundesarbeitsgericht die dauerhafte Artbeitnehmerüberlassung ebenfalls seit der Entscheidung vom 10.7.2013 nicht mehr für zulässig ansieht, ist kaum damit zu rechnen, dass die Rechtsbeschwerde im Fall des LAG BW zur Personalgestellung erfolgreich sein wird.

Nach § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG in der seit dem 1. Dezember 2011 geltenden Fassung erfolgt die Überlassung von Arbeitnehmern an Entleiher nur noch „vorübergehend“, so das Bundesarbeitsgericht.

„Die Bestimmung enthält nicht lediglich einen unverbindlichen Programmsatz, sondern untersagt die nicht nur vorübergehende Arbeitnehmerüberlassung. Sie dient zum einen dem Schutz der Leiharbeitnehmer. Zum andern soll sie auch die dauerhafte Aufspaltung der Belegschaft des Entleiherbetriebs in eine Stammbelegschaft und eine entliehene Belegschaft verhindern.“

Quelle: Pressemitteilung BAG, Beschluss vom 10. Juli 2013 – 7 ABR 91/11

Nach Ansicht des LAG BW wäre der Beschäftigte dann – zwangsläufig – nach wie vor Beschäftigter der Stadt so als ob die Gestellung nicht erfolgt wäre. Der Personalrat wäre nicht nur im Grundverhältnis für den Beschäftigten zuständig, sondern mit allen Beteiligungsrechten auch im Rahmen des Direktionsrechts. Die Änderung der Beschäftigung würde sich dann allerdings als „Umsetzung“ (§ 72 Abs. 1 Nr. 5 PersVG NRW) darstellen und das entsprechende Beteiligungsrecht auslösen.

Anders dagegen Trümner/Fischer in PersR 2013, 193-200: Dauerhafte Personalgestellungen im Lichte des neuen Arbeitnehmerüberlassungsrechts: Weiterhin zulässig – oder nicht? 

Die Verfasser sind der Ansicht, dass § 4 Abs 3 TVöD und vergleichbare Tarifnormen dem Sozialschutz der Arbeitnehmer dienen mit der Folge, dass die dauerhafte Personalgestellung aufgrund teleologischer Reduktion von § 1 Abs 1 S 2 AÜG iVm § 3 Abs 1 S 1 AÜG zulässig ist, sofern eine behördliche Erlaubnis nach dem AÜG vorliege. Diese Bereichsausnahme steht nach Ansicht der Autoren im Einklang mit Art 9 Abs 1 EU-Leiharbeitsrichtlinie (EGRL 104/2008). 

Auch Ruge/von Tiling, in ZTR 2012, 263-267: Die tarifliche Personalgestellung im öffentlichen Dienst nach der Reform des AÜG halten die Personalgestellung auch nach dem AÜG 2011 für zulässig. 

In einem Schreiben der Bundesagentur für Arbeit vom November 2011, SP III 32 – 7160.1 begründet diese die generelle Zulässigkeit der Arbeitnehmerüberlassung nach deutschem Modell sehr weitreichend:

„Die Einfügung des Satzes 2 in § 1 Absatz 1 AÜG dient nach der Gesetzesbegründung der Klarstellung, dass das deutsche Modell der Arbeitnehmerüberlassung den europäischen Vorgaben entspricht (BT-Drs. 17/4804 Seite 8). Nach der EU-Leiharbeitsrichtli-nie 2008/104/EG ist es ein Wesensmerkmal der Arbeitnehmerüberlassung, dass die Arbeitnehmerüberlassung immer vorübergehend erfolgt. Das AÜG regelt ein auf vorübergehende Überlassung angelegtes Modell der Arbeitnehmerüberlassung. Dies war auch schon vor der Gesetzesänderung zum 1.12.2011 im nationalen Recht so.“

Ob man das so einfach sehen kann, dass Arbeitnehmerüberlassung immer vorübergehend ist? das Bundesarbeitsgericht ist offensichtlich – wie andere Landesarbeitsgerichte – anderer Meinung.

UPDATE: Inzwischen hat auch das LAG Baden-Württemberg die Personalgestellung für unzulässig erklärt (nicht rechtskräftig, Rechtsbeschwerde beim BAG anhängig):

„Die Personalgestellung durch die Beteiligte Ziff. 1 an die Beteiligte Ziff. 3 ist nämlich zumindest in entsprechender Anwendung von § 9 Nr. 1 1. Alt. AÜG unwirksam. Deshalb konnte das Direktionsrecht über die Arbeitnehmer nicht wirksam auf die Beteiligte Ziff. 3 übertragen werden. Das Direktionsrecht besteht somit weiterhin bei der Beteiligten Ziff. 1. Ein „Betriebsverhältnis“ zur Beteiligten Ziff. 3 besteht dagegen nicht.

Die Personalgestellung der Beteiligten Ziff. 1 an die Beteiligte Ziff. 3 stellt nämlich eine verbotene Arbeitnehmerüberlassung dar. Soweit § 4 Abs. 3 TVöD die dauerhafte Überlassung von Arbeitnehmern gestattet, verstößt diese Norm gegen höherrangiges Recht und ist unwirksam.“

(…)

Die Gestellung führt nicht dazu, dass auch der Arbeitsvertrag zwischen Vertragsarbeitgeber und Arbeitnehmer in entsprechender Anwendung von § 9 Nr. 1 2. Alt. AÜG unwirksam würde. Es ist deshalb auch kein Arbeitsverhältnis mit dem Dritten gem. § 10 Abs. 1 Nr. 1 AÜG als zustandegekommen.

(…)

Die Mitbestimmungsrechte gemäß § 87 BetrVG verbleiben beim für den Betrieb des gestellenden Vertragsarbeitgebers gebildeten Betriebsrat.

(Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg, Beschluss vom 17. April 2013 – 4 TaBV 7/12)

Michael W. Felser
Rechtsanwalt
Felser Rechtsanwälte und Fachanwälte
Brühl und Köln

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