Bald beginnen sie, die lang ersehnten Sommerferien. 2009 ist kein Jahr wie jedes andere: Viele Arbeitnehmer müssen in der zweiten Jahreshälfte mit einer Kündigung rechnen. Urlaub schützt davor nicht, auch nicht – entgegen eines verbreiteten Gerüchst unter Arbeitnehmern- vor dem „Zugang“ der Kündigung. Selbst wenn der Arbeitgeber die urlaubsbedingte Ortsabwesenheit seiner Arbeitnehmers kennt, kann ein in den Briefkasten eingeworfenes Kündigungsschreiben dem Arbeitnehmer grundsätzlich wirksam zugehen. Die dreiwöchige Klagefrist läuft dann ab dem Zeitpunkt des Einwurfs in den Briefkasten. Auch während man selbst am Pool liegt oder gerade den Gipfel erklimmt.

Dass es keine theoretische Befürchtung ist, zeigt neben der Tatsache, dass es sich um einen bekannten Rechtsirrtum handelt auch  die Vielzahl von arbeitsgerichtlichen Entscheidungen:

„Entgegen der Auffassung der Klägerin gilt die Kündigung vom 30. April 2002 gemäß § 4 Satz 1, § 7 KSchG aF als sozial gerechtfertigt.

1. Die Klägerin hat mit ihrer am 23. Mai 2002 beim Arbeitsgericht eingegangenen Kündigungsschutzklage die 3-wöchige Klageerhebungsfrist (Senat 26. Juni 1986 – 2 AZR 358/85 – BAGE 52, 263) des § 4 Satz 1 KSchG aF versäumt. Die Versäumung dieser prozessualen Frist hat die materiell-rechtliche Wirkung, dass die soziale Rechtfertigung einer Kündigung nicht weiter überprüft werden kann und mögliche Mängel der Sozialwidrigkeit geheilt werden (v. Hoyningen-Huene/Linck KSchG 13. Aufl. § 4 Rn. 83; ErfK/Ascheid 4. Aufl. § 4 KSchG Rn. 51).

2. Das Kündigungsschreiben ist am 30. April 2002 um 9.45 Uhr in den Briefkasten der Wohnung der Klägerin eingeworfen worden und ihr deshalb an diesem Tag noch zugegangen. Die Klägerin hätte deshalb spätestens am 21. Mai 2002 Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht erheben müssen.

a) Eine schriftliche Willenserklärung ist nach § 130 Abs. 1 BGB zugegangen, sobald sie in verkehrsüblicher Weise in die tatsächliche Verfügungsgewalt des Empfängers bzw. eines empfangsberechtigten Dritten gelangt ist und für den Empfänger unter gewöhnlichen Verhältnissen die Möglichkeit besteht, von dem Inhalt des Schreibens Kenntnis zu nehmen. Besteht für den Empfänger diese Möglichkeit unter den gewöhnlichen Verhältnissen, ist es unerheblich, wann er die Erklärung tatsächlich zur Kenntnis nimmt oder ob er daran durch Krankheit, zeitweilige Abwesenheit oder andere besondere Umstände zunächst gehindert ist (Senat 16. Januar 1976 – 2 AZR 619/74 – AP BGB § 130 Nr. 7 = EzA BGB § 130 Nr. 5). Deshalb kann ein an die Heimatanschrift des Arbeitnehmers gerichtetes Kündigungsschreiben dem Arbeitnehmer grundsätzlich selbst dann wirksam zugehen, wenn der Arbeitgeber die urlaubsbedingte Ortsabwesenheit seines Arbeitnehmers kennt (BAG 25. August 1978 – 2 AZR 693/76 -; 16. März 1988 – 7 AZR 587/87 – BAGE 58, 9; 11. August 1988 – 2 AZR 11/88 – RzK I 2c Nr. 14; ErfK/Ascheid 4. Aufl. § 4 KSchG Rn. 41; KR-Friedrich 6. Aufl. § 4 KSchG Rn. 112).

b) Demnach ist das Kündigungsschreiben der Beklagten vom 30. April 2002 der Klägerin trotz ihrer der Beklagten bekannten Urlaubsabwesenheit am selben Tag zugegangen. Entgegen der Auffassung der Klägerin ergibt sich auch nichts anderes nach den Grundsätzen aus der Entscheidung des Senats vom 7. November 2002 (- 2 AZR 475/01 – AP BGB § 620 Kündigungserklärung Nr. 19 = EzA BGB 2002 § 130 Nr. 1). In diesem Fall war die Kündigungserklärung nicht bereits durch den Einwurf des Kündigungsschreibens in den Briefkasten der Arbeitnehmerin zugegangen, sondern war lediglich ein Benachrichtigungsschreiben der Post über eine niedergelegte Einschreibesendung in den Briefkasten gelangt.

Da die Klägerin keinen Antrag auf nachträgliche Klagezulassung gemäß § 5 KSchG gestellt hat, gilt somit eine mögliche Sozialwidrigkeit der Kündigung nach § 7 KSchG aF als geheilt.“

Schlimm genug, dass während der dreiwöchigen Abwesenheit keine Vorsorge getroffen wurde für den Fall, dass ein Kündigungsschreiben eingeht. Offenbar wurde auch versäumt, dies zu reparieren durch einen Antrag auf nachträgliche Klagezulassung. Das kann auch nach der negativen Entscheidung des BAG nicht nachgeholt werden, denn auch dieser Antrag ist fristgebunden: Zwei Wochen nach Kenntnis von der Fristversäumung (entscheidend ist nicht die Kenntnis der Rechtslage!) läuft auch diese Frist ab. Danach geht nichts mehr.

Quelle: BAG, Urteil vom 24.06.2004 Aktenzeichen 2 AZR 461/03

Michael W. Felser
Rechtsanwalt

Felser Rechtsanwälte und Fachanwälte

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