Der BGH hat am 14.11.2006 eine Pressemitteilung zur Entscheidung im Verfahren – XI ZR 294/05 – veröffentlicht, in welchem es um die Klageberechtigung bei einer von der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen (VZ-NRW) geführten Sammelklage wegen Erstattungsansprüchen von Geschädigten wegen EC-Karten-Mißbrauchs ging, veröffentlicht. Das Gericht hat damit vorinstanzliche Urteile, die der Verbraucherzentrale die Klageberechtigung versagten, aufgehoben.

Die außergerichtliche und gerichtliche Vertretung von Parteien ist im wesentlichen im Rechtsberatungsgesetz (RBerG) geregelt. Gesetzlich ist dort bestimmt, welche Personen und Verbände dazu berechtigt sind, Parteiinteressen zu vertreten. Verbraucherverbänden sind nach Art.1 § 3 Ziffer 8 RBerG dazu berechtigt, außergerichtlich Rechtsangelegenheiten von Verbrauchern zu besorgen. Liegt die Besorgung einer Rechtsangelegenheit im kollektiven Verbraucherinteresse, dann können die Verbraucherschützer auch die gerichtliche Einziehung fremder und zu Einziehungszwecken abgetretener Forderungen von Verbrauchern im Rahmen ihres Aufgabenbereichs betreiben.

Den Klagen des VZ-NRW lag im wesentlichen folgender Sachverhalt zugrunde:

Kunden verschiedener Kreditinstitute waren EC-Karten gestohlen worden. Beträge wurden dann unberechtigt bei Verwendung der korrekten PIN abgehoben. Die Kreditinstitute lehnten eine Haftung mit Hinweis auf die Sicherheit des PIN-Systems ab. Die Kunden begründeten ihre Erstattungsansprüche damit, ihre PIN vertragsgemäß geheim gehalten zu haben. Die Verbraucherschützer wollten vor Gericht klären lassen, ob eine solche Haftungsverweigerung rechtmäßig ist. Der VZ-NRW hat dann für über 70 von fast 1500 registrierten Betroffenen mehrere Banken auf ca. 85.000 Euro Schadensersatz verklagt.

Das LG und nach Berufung auch das OLG Düsseldorf wiesen eine Klage ab, weil die Sammelklage nicht den Vorgaben des Art.1 § 3 Ziffer 8 RBerG entspräche. Angesichts der Zulassung der Klagen in den übrigen Verfahren, lies das OLG Düsseldorf wegen abweichender Rechtsprechung aber die Revision zum BGH zu.

Die Revision des Verbraucherverbandes war nun erfolgreich. Der BGH vertritt die Auffassung, daß durch die Sammelklage im Sinne des RBerG dem kollektiven Verbraucherinteresse gedient und auch auch eine wirkungsvollere Durchsetzung dieses Interesses als über die Individualklage gewährleistet werde. Da die Sicherheit des
Verschlüsselungssystems und die damit verbundene Frage der Beweislastverteilung in solchen Verfahren über den Einzefall hinaus von kollektivem Interesse sei, sei die Vebraucherzentrale auch dazu berechtigt, die Sammelklage zu führen. Außerdem sei zu vermuten, daß aufgrund der voraussichtlich erforderlichen unabhängigen Gutachten Kosten anfallen werden, die zu einem Mißverhältnis zwischen Prozeßkosten und der Höhe der individuellen Schadensbeträge führen und sich für den jeweiligen Individualkläger als Klagehemmnis auswirken.

Die Entscheidung des BGH eröffnet vermutlich nun auch Sammelklagen auf anderen Gebieten, z. B. bei Vertragsverletzungen im Energiebereich, den Weg zu den Gerichten.

Fundtstelle: Pressemitteilung Nr. 159/2006 des BGH vom 14.11.2006

Christian von Hopffgarten
Rechtsanwalt & Fachanwalt
für Arbeitsrecht
Rechtsanwälte Felser

https://www.felser.de

Kommentierungsfunktion ist momentan abgeschaltet.