Das VG Lüneburg hat sich in seinem Beschluss vom 15.01.2007 – 1 B 51/06 – mit einer klassischen Fragestellung des Kokurrentenrechtschutzs in Beförderungsangelegenheiten befaßt: Wie wirkt sich ein laufendes Ermittlungsverfahren gegen einen Bewerber auf dessen Beförderungschancen aus?

Beamte können gegen eine ablehnende Beförderungsentscheidung zwar Widerspruch einlegen. Dieser entfaltet aber bezüglich der Ernennung und Aushändigung der Beförderungsurkunde an den bevorzugten Konkurrenten keine aufschiebende Wirkung. Außerdem kann nach einem mitunter monate- oder jahrelangen Verwaltungs- oder Gerichtsverfahren über die Rechtswidrigkeit der ablehnenden Beförderungsentscheidung die Beförderung des Konkurrenten wegen des Prinzips der Ämterstabilität nicht mehr rückgängig gemacht werden. Will sich ein betroffener Beamter also die Beförderungschance erhalten, ist er neben dem Widerspruchsverfahren immer gezwungen, Eilrechtsschutz nach § 123 Abs. 1 VwGO zu suchen, wenn die Beförderungsdienststelle nach Erhebung des Widerspruchs nicht erklärt, von der Beförderung des Konkurrenten zunächst abzusehen.

Diesen Weg beschritt ein Polizeibeamter aus Niedersachsen.

Er war als Polizeikommissar (Besoldungsgruppe A 9) in 2005 mit „Hervorragend“, in 2002 mit „Übertrifft erheblich die Anforderungen“ in 2001 mit „Entspricht voll den Anforderungen“ beurteilt worden. Im November 2006 erfuhr er, daß eine seiner Polizeiinspektion zugeteilte Planstelle A10 BBesO mit einer Konkurrentin besetzt werden sollte. Begründet wurde dies damit, daß der Beamte auf der Orientierungsliste für Beförderungen zwar den ersten Rang einnehme, gegen ihn allerdings ein Ermittlungsverfahren wegen Körperverletzung im Amt liefe und deswegen die Konkurrentin vorzuziehen sei. Die Konkurrentin war nach einer Aufstiegsausbildung 2001 zur Kriminalkommissarin ernannt worden und in 2005 mit „Hervorragend“ (Wertungsstufe 5), in 2002 mit „Übertrifft erheblich die Anforderungen“ und in 2001 mit „Entspricht voll den Anforderungen“ beurteilt worden.

Das VG Lüneburg versagte dem Beamten die begehrte Anordnung, das Beförderungsverfahren einstweilen auszusetzen. Die erforderliche Dringlichkeit sei bei derartigen Anträgen zwar in der Regel gegeben, allerdings verneinte die Kammer den ebenfalls erforderlichen Anordnungsanspruch, weil die Auswahlentscheidung des Dienstherrn nicht zu beanstanden gewesen sei.

Das Gericht merkte an, die Entscheidung ohnehin nur darauf hin überprüfen zu können, ob die Behörde das anzuwendende Recht und dessen Rahmen verkannt hat, von einem unrichtigen bzw. unvollständigen Sachverhalt ausgegangen sei, allgemeingültige Wertmaßstäbe nicht beachtet habe, sachwidrige Erwägungen angestellt oder gegen Verfahrensvorschriften oder mit höherrangigem Recht vereinbare Richtlinien verstoßen habe. Der Dienstherr habe vor allem die Prinzipien der Bestenauslese bzw. des Leistungsgrundsatzes nach Art. 33 Abs. 2 GG, § 7 BRRG und § 8 Abs. 1 NBG zu beachten.

Eine Grundlage für eine Auswahl nach dem Leistungsgrundsatz bieten in der Regel die aktuellsten Beurteilungen. Lassen sich hiernach schon Leistungsunterschiede ausmachen, ist grundsätzlich der besserbeurteilte Bewerber vorzuziehen. Bei einem Beurteilungsgleichstand von Bewerbern kann dann auf Binnendifferenzierungen innerhalb der Noten, auf die Bewertung einzelner Beurteilungsmerkmale, aber auch auf ältere dienstlichen Beurteilungen zurückgegriffen werden. Führt auch das zu keiner Ermittlung eines Leistungsvorsprungs, können Erkenntnisse aus einem standardisierten Auswahlgespräch maßgeblich sein. Kann auch nach diesem abgestuften Differenzierungssystem keine Entscheidung getroffen werden, dürfen nach der Rechtsprechung die sog. Hilfskriterien herangezogen werden.

Da der Antragsteller und seine Konkurrentin – auch in der Vergangenheit – gleich beurteilt waren, hatte der Dienstherr zunächst darauf abgestellt, daß der Antragsteller bei vier von 11 Leistungs- und Befähigungsmerkmalen geringfügig besser eingestuft war als die Konkurrentinin und ihn deswegen auf der Orientierungsliste zunächst erstplaziert.

Angesichts des geringfügigen Leistungsvorsprungs sei es – so das VG Lüneburg – dann aber nicht zu beanstanden, daß der Konkurrentin dennoch der Vorzug wegen des gegen den Antragsteller eingeleiteten Ermittlungsverfahrens gegeben worden sei.

Der Dienstherr könne das Verfahren und den damit verbundenen Sachverhalt als Grundlage für die Annahme, daß der Antragssteller jedenfalls derzeit nicht besser geeignet sei als die Konkurrentin, gebrauchen. Immerhin hatte der Antragsteller zugegeben, einem auf dem Rücksitz eines Streifenwagens sitzenden Festgenommenen, dessen Hände auf dem Rücken mit Handschellen gefesselt waren, gezielt mit der Faust in das Gesicht geschlagen zu haben. Anlaß hierür sei das unruhige Verhalten des Festgenommenen und dessen Ankündigung, mit dem Ellenbogen ein Fenster zu zerstören, gewesen. Außerdem habe der Festgenommene den Antragsteller bezichtigt, dieser habe mit der Hand auch seinen Kehlkopf gequetscht. Tatsächlich konnt ärztlicherseits ein Würgetrauma und eine Prellung der linken Wange diagnostiziert werden.

Das VG Lüneburg folgte der Auffassung des Dienstherrn, er können im Rahmen seines Auswahlermessens davon ausgehen, daß es sich hierbei objektiv um Vorgänge gehandelt habe, die außerhalb dessen liegen, was oft – und oft zu unrecht – Polizeivollzugsbeamten im Rahmen der täglichen Dienstausübung zum Vorwurf durch Festgenommene gemacht wird. Der bereits festgestellte Sachverhalt im Ermittlungsverfahren genüge, um die Annahme eines Eigungsvorsprungs der Konkurrentin zu begründen.

Fundstelle: Beschluß des VG Lüneburg vom 15.01.2007 – 1 B 51/06 –

Christian von Hopffgarten
Rechtsanwalt & Fachanwalt
für Arbeitsrecht
Rechtsanwälte Felser

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