Die Klägerin war fast 40 Jahre in einer Rehaklinik mit ca. 40 Mitarbeitern beschäftigt. Diese wurde zum 01.02.2004 an eine GmbH verkauft und ging kurz nach der Übernahme in die Insolvenz. Die Arbeitnehmer wurden darüber mit Schreiben vom 09.01.2004 unterrichtet. Die Klägerin widersprach erst Anfang März – nach der Insolvenz – dem Betriebsübergang und verlangte von der Betriebsveräusserin die Weiterbeschäftigung. Sie stützte die Klage darauf, dass die Unterrichtung nach § 613a Abs. 5 BGB nicht ordnungsgemäss erfolgt und damit unbeachtlich sei. Die Parteien stritten vor Gericht über die Rechtzeitigkeit des Widerspruchs und über den Umfang der Informationspflicht nach § 613a Abs. 5 BGB.

Das Bundesarbeitsgericht entschied nun (Urteil vom 13.07.2006 – 8 AZR 308/05, Pressemitteilung 50/06), dass das Arbeitsverhältnis mit dem Betriebsveräusserer wegen der mangelhaften Information der Arbeitnehmer fortbesteht. Das Arbeitsverhältnis der Klägerin sei nicht nach § 613 a Abs. 1 BGB auf die GmbH übergegangen. Folge: Die KLägerin ist nicht auf die mageren Ansprüche gegen den Insolvenzverwalter angewiesen, sondern kann für die zurückliegende Zeit Gehalt von der (nicht insolventen) Verkäuferin der Klinik verlangen. Die Vorinstanzen (LAG München, Urteil vom 12.05.2005 – 2 Sa 1098/04) hatten dagegen noch dem Arbeitgeber recht gegeben.

Das Bundesarbeitsgericht machte deutlich: Zwar kann eine standardisierte Unterrichtung der Arbeitnehmer die Widerspruchsfrist auch in Gang setzen. Neben den gesetzlichen Unterrichtungsgegenständen (§ 613a Abs. 5 Nrn. 1 – 4 BGB) ist aber der Betriebserwerber identifizierbar zu benennen und der Gegenstand des Betriebsübergangs anzugeben. Die erteilten Informationen müssen zutreffend sein. Unter anderem muss sorgfältig über die rechtlichen Folgen des Betriebsübergangs informiert werden. Nach § 613a Abs. 6 BGB kann ein Arbeitnehmer dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf den Erwerber innerhalb eines Monats nach Zugang der Unterrichtung widersprechen. Erfolgt keine oder eine nicht ausreichende Unterrichtung, beginnt die Widerspruchsfrist nicht, so das Bundesarbeitsgericht. Die KLägerin konnte also jederzeit später – auch später als einen Monat nach der mangelhaften Unterrichtung – den Widerspruch erklären.
Das Urteil hat für viele Arbeitnehmer Bedeutung. Wenn eine Unterrichtung nicht ordnungsgemäss ist, setzt sie die Frist zum Widerspruch nicht in Gang, so das BAG. Arbeitnehmer können dann auch später noch widersprechen, die Entwicklung also erst einmal abwarten.

Auch Agfa Gevaert hat seine Arbeitnehmer nach Ansicht der Arbeitsgerichte unzureichend unterrichtet. Einige Arbeitnehmer hatten auch dort dem Betriebsübergang auf die Agfa GmbH widersprochen. Strittig sind bislang die Rechtsfolgen. Das Urteil des Bundesarbeitsgericht bedeutet für Agfa Gevaert nichts Gutes. Die Arbeitnehmer von Agfa in Leverkusen, die nicht in die Beschäftigungsgesellschaft gewechselt sind, wird das Urteil des BAG freuen. Danach besteht Ihr Arbeitsverhältnis zum Mutterunternehmen nämlich fort. Agfa´s Versuch, sich mit Hilfe des zwielichtigen Dr. Hartmut Ewans aus der Verantwortung zu stehlen, wird scheitern.

Eine gute Nachricht aus Erfurt.

Michael Felser
Rechtsanwalt
Rechtsanwälte Felser
Betriebsuebergang.de

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