In vielen Arbeitsverträgen findet sich die sogenannte “Gleichstellungsabrede”, mit der in jedem Arbeitsvertrag auf die für den Arbeitgeber geltenden Tarifverträge verwiesen wird. So wird z.B. in einem von Ver.di zur Verfügung gestellten Musterarbeitsvertrag für Musikschulen eine typische Klausel benutzt: “Das Arbeitsverhältnis richtet sich nach den Bestimmungen des Bundes-Angestelltentarifvertrages (BAT) vom 23.2.1961 und den diesen ändernden, ergänzenden oder ersetzenden Tarifverträgen in der jeweils geltenden Fassung.” Diese Klausel nennt man Gleichstellungsabrede oder Gleichstellungsklausel. Sie soll sicherstellen, dass alle Beschäftigten unabhängig davon, ob sie Gewerkschaftsmitglied sind, nach dem Tarifvertrag bezahlt und behandelt werden.

Der BAT (der hier nur als Beispiel genannt ist) galt nämlich nur für die Mitglieder der tarifschliessenden Parteien, also in den Ländern z.B. von Ver.di einerseits und der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) andererseits. Der Bundesangestelltentarifvertrag galt also nicht unmittelbar und zwingend für Nichtorganisierte, sog. Aussenseiter. Erst durch die typische Gleichstellungsabrede im Arbeitsvertrag wurde die Geltung des Tarifvertrages auch auf die Aussenseiter erstreckt. Das hatte Vor- und Nachteile. Weil das Bundesarbeitsgericht darin nämlich eine reine Gleichstellungsabsicht erblickte, führte die Klausel dazu, dass die Nichtorganisierten das gleiche Schicksal erlitten wie ihre gewerkschaftlich organisierten Kolleginnen und Kollegen. Bei einem Betriebsübergang nach § 613 a BGB verdrängte ein schlechterer Tarifvertrag beim Übernehmer auch bei den Aussenseitern den bisherigen günstigeren Tarifvertrag. Wenn bei einem Austritt aus dem Arbeitgeberverband die tarifrechtliche Verpflichtung des Arbeitgebers entfällt, neu abgeschlossene Tarifverträge gegenüber den organisierten Arbeitnehmern anzuwenden, zB weil er zuvor aus dem Arbeitgeberverband ausgetreten war, entfällt auch eine dahingehende vertragliche Verpflichtung gegenüber nicht organisierten Arbeitnehmern. Das BAG legte die Klausel nämlich so aus, dass dadurch die Nichtorganisierten nur gleichgestellt, also auch nicht bessergestellt werden sollten.

Der Vierte Senat des Bundesarbeitsgerichts hat bereits vor einiger Zeit (BAG, Urteil vom 14.12.2005 – Aktenzeichen 4 AZR 536/04, Volltext) angekündigt, wegen der nach der Schuldrechtsreform strengeren Inhaltskontrolle von Arbeitsverträgen die Klausel nicht mehr in jedem Fall, sondern nur noch ausnahmsweise als Gleichstellungsklausel auslegen zu wollen:

“Für die Auslegung von arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklauseln in bis zum 31. Dezember 2001 abgeschlossenen Arbeitsverträgen (”Altverträge”) gilt weiter die Auslegungsregel, wonach die Bezugnahme in einem von einem tarifgebundenen Arbeitgeber vorformulierten Arbeitsvertrag auf die für das Arbeitsverhältnis einschlägigen Tarifverträge regelmäßig als Gleichstellungsabrede auszulegen ist, also nur die Gleichstellung nicht tarifgebundener mit tarifgebundenen Arbeitnehmern bezweckt. Der Senat beabsichtigt, diese Auslegungsregel nicht auf die ab dem 1. Januar 2002 abgeschlossenen Arbeitsverträge anzuwenden.” so der Leitsatz.

Diese Absicht hat das Bundesarbeitsgericht heute umgesetzt (BAG vom 19.04.2007 – Aktenzeichen 4 AZR 652/05, Pressemitteilung) umgesetzt:

In dem bereits länger andauernden Arbeitsverhältnis der Klägerin war im Mai 2002 ein schriftlicher Arbeitsvertrag geschlossen worden, der auf den einschlägigen Tarifvertrag in der jeweils geltenden Fassung verwies. Das BAG hat die Beklagte, die danach aus dem tarifschließenden Verband ausgetreten war, für verpflichtet gehalten, auch nach ihrem Austritt abgeschlossene Änderungstarifverträge gegenüber der Klägerin arbeitsvertraglich anzuwenden. Es gab aus dem Vertragswortlaut und den Umständen bei Vertragsschluss keine Anhaltspunkte für einen Willen der Vertragsparteien, dass es nur um eine Gleichstellung nicht organisierter mit organisierten Arbeitnehmern gehen sollte. Vielmehr hat das Bundesarbeitsgericht die Beklagte arbeitsvertraglich für verpflichtet gesehen, den entsprechenden Tarifvertrag weiter anzuwenden, weil dessen Anwendung im Arbeitsvertrag vereinbart war. Der Austritt aus dem Arbeitgeberverband ändert an der arbeitsvertraglichen Vereinbarung aber nichts.

Was bedeutet das jetzt? Bei Verträgen mit tariflichen Bezugnahmeklauseln, die vor dem 1.1.2002 vereinbart wurden, bleibt es beim Grundsatz, dass es sich um Gleichstellungsabreden handelt. Ausnahmsweise kann eine Auslegung ergeben, dass keine Gleichstellungsklausel vorliegt. Bei Arbeitsverträgen, die nach dem 31.12.2001 abgeschlossen wurden, ist es umgekehrt. Dort gilt, dass eine vertragliche Einbeziehung eines Tarifvertrages im Regelfall keine Gleichstellungsabrede darstellt, im Ausnahmefall bei entsprechenden Indizien aber doch. Die Schuldrechtsreform hat, das kann man jetzt schon feststellen, erhebliche Auswirkungen auf das Arbeitsrecht.

Michael W. Felser
Rechtsanwalt
arbeitsvertrag.de

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