diese Vermutung drängt sich beim Lesen vieler Urteile zum Thema “Mobbing” förmlich auf. Nach Ansicht des Arbeitsgerichts Frankfurt sind jedenfalls unhöfliche und gar grobe Umgangsformen von Vorgesetzten noch kein Mobbing. Solche Führungsqualitäten rechtfertigten daher auch keinen Schmerzensgeld- und Schadensersatzanspruch, wenn ein sensibler Arbeitnehmer deshalb krank wird oder sogar aus Verzweiflung kündigt.

Da war er wieder, der “empfindliche Arbeitnehmer” (der selbst schuld ist, sich nicht so anstellen soll …). Das LAG Hamm (Urteil vom 06.03.2006 – Aktenzeichen: 16 Sa 76/05) hat deutlich darauf hingewiesen, dass es dem Täter nicht positiv zuzurechnen ist, wenn das Opfer empfindlich ist. Man wundert sich immer wieder, was in Deutschland im Job alles zumutbar erscheint. Die Rechtsprechung der Arbeitsgerichte zur Zulässigkeit “herausgreifender Kündigungen” (das klassische Revanchfoul), zur Kündigung wegen Anschwärzen des Arbeitgebers bei Straftaten und Ordnungswidrigkeiten (da hat das Bundesverfassungsgericht allerdings der Arbeitsgerichtsbarkeit die richtige Linie ins Stammbuch geschrieben, zur “hartnäckigen Arbeitsverweigerung” (häufig echte Lapalien, die zur Kündigung langjähriger Beschäftigungsverhältnisses führen) und eben zum Mobbing zeigt, dass das Arbeitsverhältnis in Deutschland immer noch kein normales Dauerschuldverhältnis ist. Man fühlt sich manchmal an das Vasallentum errinnert, wenn man die Rechtsprechung liest.

Mobbingopfern, die psychisch erkranken, wird gerade dies zum Verhängnis. Sie wirken nämlich überempfindlich. Dies ist allerdings das Ergebnis und nicht die Ursache des Mobbings.

Juristen sollen ausgebildet werden im Recht mit seinen sozialen und wirtschaftlichen Bezügen:

➢ Bereits mehr als jeder neunte Beschäftigte war im Verlauf seines Berufsleben mindestens einmal von Mobbing betroffen.

➢ Fast jeder zweite Erwerbstätige hat Angst, seinen Job zu verlieren.
Das ist das Ergebnis einer Umfrage des Forsa-Instituts. Demnach fürchtet sich
jeder dritte Erwerbstätige vor eigenen Fehlern am Arbeitsplatz, jeder fünfte hat
Angst vor Mobbing. 14 Prozent der befragten Erwerbstätigen gaben an, sich vor Konflikten mit ihren Kollegen oder dem Chef zu fürchten.

➢ Fast jeder vierte Arbeitnehmer (23 Prozent) sagte den Meinungsforschern, dass das Betriebsklima durch hohen Stress geprägt ist. Etwa jeder fünfte Erwerbstätige (19 Prozent) meint, dass die gesundheitlichen Belastungen durch Stress und Angst am Arbeitsplatz in den letzten drei Jahren deutlich stärker geworden seien. Für die Studie im Auftrag der DAK und der Zeitschrift „Woman“ wurden mehr als 1.000 Erwerbstätige befragt.

➢ 60,6 % aller Mitarbeiter in deutschen Unternehmen leiden unter Angst am
Arbeitsplatz. Neben der Angst, entlassen zu werden, fürchten sich die Deutschen besonders vor der Willkür ihres Chefs und vor dem täglichen Konkurrenzkampf mit den Kollegen.

Quelle: Pressemitteilung in OpenPR

Hier hat sicher auch die Justiz eine Verantwortung, zu besseren Verhältnissen beizutragen. Jeder Anwalt, der sich mit Mobbingprozessen befasst hat, weiss, dass es fast unmöglich ist, ein Gericht vom Vorliegen von Mobbing zu überzeugen. Wissenschaftliche Erkenntnisse anderer Disziplinen, die fachlich näher am Mobbing sind, werden schlicht ignoriert. Allenfalls Führungskräften gelingt es, Schmerzensgeld zu erhalten, worauf dieser Blog bereits einmal hingewiesen hat.

Michael W. Felser
Rechtsanwalt

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