Für Arbeitgeber ist es schwieriger geworden, sich durch Verbandsaustritt einem Tarifvertrag zu entziehen. Die früher als geschickter Schachzug gegen einen hohen Organisationsgrad propagierte Gleichstellungsabrede in vielen Arbeitsverträgen führt – nach mehreren Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts – jetzt zu einer dauerhaften Bindung an einen Tarifvertrag – als arbeitsvertragliche Abrede und unabhängig von der Gewerkschaftsmitgliedschaft der Arbeitnehmer.

Von einer Gleichstellungsabrede spricht man, wenn ein Arbeitsvertrag auf ein Tarifwerk, z.B. einen Branchentarifvertrag oder Verbandstarifvertrag verweist, um sicherzustellen, dass die Aussenseiter, also die nicht gewerkschaftlich organisierten Arbeitnehmer genauso gestellt werden wie die Gewerkschaftsmitglieder, die die tariflichen Ansprüche ja bereits kraft Mitgliedschaft in der tarifschliessenden Gewerkschaft geltend machen können. Da Ziel der Gleichstellungsabrede nur die Gleichstellung der nichtorganisierten Arbeitnehmer ist, führt der Wegfall der Tarifbindung (z.B. durch einen Austritt aus dem Arbeitgeberverband) im Betrieb auch dazu, dass auch die nichtorganisierten die tariflichen Ansprüche verlieren, obwohl der Arbeitsvertrag etwas anderes auszusagen scheint. Eine Gleichstellungsabrede erschöpft sich also darin, die Aussenseiter an das Schicksal der tarifgebundenen Arbeitnehmer zu binden. Bei einer Gleichstellungsabrede liegt dann also keine konstitutive Bezugnahme auf den Tarifvertrag vor. Der Arbeitgeber will dann nicht versprechen, dass der Arbeitnehmer unbedingt und solange der Arbeitsvertrag gilt, alle Ansprüche aus dem genannten Tarifvertrag hat, sondern nur, solange der Tarifvertrag für den Betrieb kraft Tarifbindung gilt (Beispiel in einem Blogbeitrag von uns).

Für nach dem 01.01.2002 geschlossene Verträge – sog. „Neuverträge“ – ist nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts von einer Gleichstellungsabrede allerdings nicht schon dann auszugehen, wenn der von einem tarifgebundenen Arbeitgeber gestellte Arbeitsvertrag auf die für ihn einschlägigen und im Verhältnis zu den tarifgebundenen Arbeitnehmern ohne weiteres geltenden Tarifverträge verweist. Damit bekräftigte das Bundesarbeitsgericht mit Urteil vom 22.10.2008 (4 AZR 793/07) seine Rechtsprechungsänderung (BAG, Urteil vom 18.04.2007 – 4 AZR 652/05, Volltext), die das BAG bereits zuvor (BAG, Urteil vom 14.12.2005 – 4 AZR 536/04, Volltext) angekündigt hatte. Vielmehr ist dann von einer echten Bezugnahmeklausel auszugehen, es sei denn, es liegen Anhaltspunkte dafür vor, dass „nur“ eine Gleichstellungsklausel gewollt und vereinbart war. Das BAG hielt daher im entschiedenen Fall die Beklagte für verpflichtet, auch die nach ihrem Verbandsaustritt geschlossenen Änderungstarifverträge gegenüber dem Kläger arbeitsvertraglich anzuwenden. Die Gleichstellungsabrede wird daher seit 2002 zum Ausnahmefall.

Quelle: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 22.10.2008 – Aktenzeichen 4 AZR 793/07, Pressemitteilung

Michael W. Felser
Rechtsanwalt
Felser Rechtsanwälte und Fachanwälte
Brühl bei Köln/Bonn

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