Die Bespitzelungsaffaire bei der Telekom könnte der letzte Tropfen sein, der das Faß zum überlaufen bringt: Nicht nur wie bei Lidl, REWE, ach was, der gesamten Einzelhandelsbranche, Burger King, Porsche (Wiedeking ist zwar kein Arbeitnehmer, aber auch kein Baby …) und jetzt der Telekom werden Arbeitnehmer bespitzelt. Der Ruf nach einem Arbeitnehmerdatenschutzgesetz wird lauter. Das Bundesdatenschutzgesetz hilft hier nicht weiter, wie der Bundestag selbst erkannt hat:

„Der Gesetzgeber hat nicht öffentlich zugängliche Räume der Bestimmung bewusst nicht unterworfen. In der Gesetzesbegründung heißt es ausdrücklich, dafür seien „besondere Regelungen, beispielsweise im Rahmen eines Arbeitnehmerdatenschutzgesetzes erforderlich“ (BT-Drucks. 14/ 4329 S. 38).

aus: Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 14. 12. 2004 – 1 ABR 34/ 03 zur Mitbestimmung bei der Videoüberwachung im Betrieb

Die Affairen beleuchten einen völligen Realitätsverlust der Unternehmen und der beauftragten Detektive über das zulässige Maß bei grundsätzlich erlaubten Ermittlungen. Persönlichkeitsrechte der Betroffenen und der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit werden dabei offensichtlich nicht einmal in die Überlegungen einbezogen. Sicherheitshalber (aus Unternehmenssicht) und umsatzhalber (aus Sicht der beauftragten Detekteien) stehen erst einmal alle in Frage kommenden Personen unter Generalverdacht und werden damit Gegenstand von weiträumigen Observationen und intensiven technischen Ausspähungen. Wie kindlich unbefangen und naiv die Betroffenen dabei vorgehen, zeigt der Einsatz von Babyphonen wie im Fall Wiedeking. Leider hat die Telekom nicht nur Telefone von Fisher-Price abgehört.

Die offenkundig verbreitete Arbeitnehmerüberwachung ist dabei Ausdruck des immer größer werden Misstrauens der Unternehmen und des langsamen aber stetigen Verlustes der im Nachkriegsdeutschland durchaus verbreiteten vertrauensvollen Zusammenarbeit zwischen Arbeitnehmern und Unternehmern. 58 Prozent der Aufträge aus der Wirtschaft an Detekteien betreffen nach Auskunft des Bundesverbandes der Detektive das Überwachen von Mitarbeitern. Anlässe für den Einsatz von Detektiven seien unter anderem angebliche Diebstähle, Krankfeiern, Verrat von Betriebsgeheimnissen und falsches Abrechnen.

Professor Christian Scholz von derUniversität Saarbrücken hat – jedenfalls in der Bestandsaufnahme zutreffend – das Phänomen der Veränderung der früher zuverlässigeren Arbeitsbeziehung als Darwiportismus bezeichnet. Die Skandale der Gegenwart sind daher kein Zufall, sondern konsequente Folgen dieser Situation, die zum Schutze der Arbeitnehmer einer gesetzlichen Regelung bedarf.

Das Arbeitnehmerdatenschutzgesetz wird so oder so kommen, denn die auch in Deutschland verbindliche EU-Datenschutzrichtlinie schreibt effektive Datenschutzmaßnahmen vor.

Wie der Bundestag schon im Jahr 2000 erkannt hat:

„Darüber hinaus wird das gesamte bereichsspezifische Datenschutzrecht daraufhin zu überprüfen sein, ob über die bereits vorgenommenen Änderungen hinaus weitere Anpassungen an die Richtlinie geboten sind, und zwar auch, soweit keine europarechtliche Anpassungspflicht besteht. Nur so kann vermieden werden, dass es auf Dauer zweierlei Datenschutzrecht mit unterschiedlich hohem Schutzniveau gibt.

In diesem Zusammenhang wird ein Arbeitnehmerdatenschutzgesetz und ein Informationszugangsgesetz zu kodifizieren sein.“

aus dem Gesetzentwurf der Bundesregierung: Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bundesdatenschutzgesetzes und anderer Gesetze, BT-Drucks.14/4329, 13.10.2000

Na dann!
Michael W. Felser
Rechtsanwalt
Felser Rechtsanwälte und Fachanwälte

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