Mit einer wichtigen Fragestellung zur Umsetzung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) muss sich bald der Europäische Gerichtshof (EuGH) beschäftigen:

Hat ein Arbeitnehmer, der darlegen kann, dass er die Voraussetzungen für eine ausgeschriebene Stelle erfüllt und dennoch nicht eingestellt worden ist,  einen Anspruch auf Auskunft gegenüber dem Arbeitgeber, ob dieser einen anderen Bewerber eingestellt hat und wenn ja, aufgrund welcher Kriterien diese Einstellung erfolgt ist?

Diese Frage hat der Achte Senat des Bundesarbeitsgericht (BAG) mit Beschluss vom 20.05.2010 dem Europäischen Gerichtshof zur Vorabentscheidung vorgelegt.

Hintergrund:

Das AGG wurde im Jahre 2006 zur Umsetzung von vier Richtlinien der Europäischen Union eingeführt. Einige Fachleute behaupten, dass es unzureichend umgesetzt wurde und daher eurparechtswidrig ist. Nach dem AGG ist eine Benachteiligung wegen der Rasse, ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität verboten. Dies gilt auch für Bewerbungsverfahren. Bei einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot ist der Arbeitgeber verpflichtet, den hierdurch entstandenen Schaden zu ersetzen. Um im Falle einer Benachteiligung Schadensersatz bzw. eine Entschädigung zu erhalten, muss aber eine hohe Hürde überwunden werden: Der Anspruchstellende muss gem. § 22 AGG zunächst Indizien – also verdächtige Umstände – beweisen, die eine Benachteiligung vermuten lassen. Dies wird aber insbesondere externen Stellenbewerbern, die über keinerlei Informationen zum Auswahlverfahren und zu den einegstellten Bewerbern verfügen können, in der Regel sehr schwer fallen. Deshalb wird von einigen Experten die Ansicht vertreten, dass es für den abgelehnten Bewerber einen Auskunftsanspruch – z.B. als Nebenpflicht aus dem Anbahnungsverhältnis – geben muss. Einige Landesarbeitsgerichte haben jedoch bislang einen solchen Auskunftsanspruch abgelehnt (so z.B. LAG Hessen, 28.08.2009 – 19/3 Sa 340/08).

Exkurs zum Auskunftsanspruch im Öffentlichen Dienstrecht und Beamtenrecht:

Im Beamtenrecht besteht nach Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (09.07.2007 – 2 BvR 206/07) eine Verpflichtung des Dienstherrn, die wesentlichen Auswahlerwägungen schriftlich niederzulegen. Daraus schließt das Oberverwaltungsgericht Lüneburg auf ein Recht des Beamten auf Akteneinsicht, um ihm die Möglichkeit zu eröffnen, das Rechtschutzbegehren zu begründen (OVG Lüneburg, 08.04.2010 – 5 MG 277/09). 

Zum konkreten Fall, der den Stein ins Rollen gebracht hat:

Eine 1961 in Russland geborene Frau hatte sich im Jahre 2006 mit einem guten Zeugnis erfolglos auf eine ausgeschriebene Stelle als Software-Entwicklerin beworben. Sie erhlielt keine Einladung zu einem Vorstellungsgespräch sondern eine Absage. Sie klagte daraufhin auf eine Entschädigung in Höhe von insgesamt 18.000 €. Sie machte geltend, keiner der übrigen Bewerber sei besser qualifiziert als sie; sie sei diskriminiert worden, weil sie eine Frau, über 45 Jahre alt und ausländischer Herkunft sei. Ausreichende Indizien welche eine Diskriminierung vermuten lassen, konnte sie jedoch nicht darlegen. So kam es dass das Arbeitsgericht Hamburg die Klage abgewiesen hat. Auch beim Landesarbeitsgericht Hamburg hatte sie im Berufungsverfahren keinen Erfolg – ihr wurde nicht mal ein Anspruch auf Auskunft gegenüber dem Arbeitgeber zum Auswahlverfahren zuerkannt. In dritter Instanz konnte auch das BAG auf Grundlage des deutschen Rechts keinen Auskunftsanspruch zuerkennen. Das BAG hält es jedoch für fraglich, ob das Fehlen einer Anspruchsgrundlage im deutschen Recht für einen Auskunftsanspruch eines abgelehnten Stellenbewerbers  mit den Antidiskriminierungsrichtlinien der Europäischen Union in Einklang zu bringen ist. Weil das BAG hierüber nicht selbst entscheiden durfte, musste es diese Frage dem EuGH zur Vorabentscheidung vorlegen.

Sollte der EuGH der Ansicht sein, dass es nach deutschem Recht einen solchen Auskunftsanspruch geben muss, hätte dies zur Folge, dass die Erfolgsaussichten für viele AGG-Klagen von abgelehnten Berwerbern aufgrund von Auskunfts-Informationen, aus denen sich Indizien oder gar Beweise für eine Diskriminierung ergeben könnten, deutlich steigen würden.

Daniel Labrow
Rechtsanwalt

Felser Rechtsanwälte und Fachanwälte

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