Bahnstreik, Kitastreik und mein Job

Die Arbeitnehmer der Bahn streiken, die Erzieherinnen streiken. Gelten bei Bahnstreik und Kitastreik für Arbeitnehmer im Job andere Regeln? Kann man sich bei Verspätung auf „höhere Gewalt“ berufen? Müssen Sie das Kind alleine zu Hause lassen?

Wer trägt das Streikrisiko?

Auswirkungen von Streiks führen nicht dazu, dass die Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis aufgehoben wären. Arbeitnehmer können sich nicht auf „höhere Gewalt“ berufen. Arbeitnehmer müssen alles zumutbare unternehmen, um trotz Streik zur Arbeit zu kommen, und zwar pünktlich.

Gelingt das nicht, muss der Arbeitgeber für die ausgefallene Arbeitszeit kein Entgelt zahlen. Das Risiko des rechtzeitigen Erscheinens am Arbeitsplatz – sog. Wegerisiko – trägt der Arbeitnehmer, und zwar unabhängig davon, ob er dafür etwas kann oder nicht. Auch wer unverschuldet zu spät kommt, muss also nacharbeiten oder mit Gehaltsabzug rechnen. Egal ob Schnee und Eis schuld waren, das Auto kaputt oder die GdL gestreikt hat.

Muss ich bei Verspätung mit Abmahnung rechnen?

Bei unverschuldetem Zuspätkommen durch Zugausfälle oder Staus infolge Bahnstreik wäre eine Abmahnung allerdings unberechtigt. War das Zuspätkommen allerdings vermeidbar, kann im Einzelfall auch eine Abmahnung gerechtfertigt sein. Das gilt erst recht, wenn der Arbeitnehmer überhaupt nicht zur Arbeit erscheint, weil kein Zug fährt und eine anderweitige Anreise (Taxi, Mitfahrgelegenheit, ÖPNV) nicht erwogen wurde. Was zumutbar ist an Kosten oder vorausschauender Planung kann nur im Einzelfall entscheiden werden. Bei angekündigten Streiks wird man allerdings davon ausgehen müssen, dass Verspätungen vermeidbar sind durch vorsorgliche Zeitplanung, z.B. früheren Antritt der Fahrt zum Arbeitsplatz, oder durch organisatorische Massnahmen, z.B. durch Bildung von Fahrgemeinschaften etc.

Was ist, wenn eine Kindesbetreuung wegen Kitastreik nicht sichergestellt werden kann?

Wenn die Erzieherinnen streiken und das Kind nicht anderweitig versorgt werden kann, regelt § 616 BGB, dass der Arbeitnehmer verhindert ist. Die Kindessorge geht grundsätzlich vor. Allerdings gilt dies nur, wenn anderweitige Betreuungsmöglichkeiten trotz aller Bemühungen ausgeschlossen sind. Bestehen anderweitige Betreuungsmöglichkeiten, muss der Arbeitgeber  auch das Gehalt nicht zahlen, so dass entweder Urlaub genommen, nachgearbeitet werden muss oder das Gehalt gekürzt wird.

In diesem Blogbeitrag „Kind oder Job“ haben wir schon einmal ausführlich die Rechte und Pflichten beschrieben.

In Arbeitsverträgen finden sich nicht selten Klauseln wie „§ 616 BGB wird abbedungen“. Zwar kann die Geltung von § 616 BGB arbeitsvertraglich eingeschränkt werden, dann muss aber klar geregelt sein, wann § 616 BGB gilt und wann nicht: die Rspr.  kontrolliert solche Abweichungen von der gesetzlichen Rechtslage streng. Die Formulierung „§ 616 BGB wird abbedungen“ dürfte jedenfalls unwirksam sein.

Was muss ich sonst bei Bahnstreiks und Kitastreik beachten?

Wenn Sie es nicht schaffen, rechtzeitig zur Arbeit zu kommen, müssen Sie in jedem Fall den Chef anrufen und / oder ihm das so früh wie möglich mitteilen. Eine Unterlassung dieser Pflicht kann zur Abmahnung berechtigen.

Eine Kündigung wäre allerdings erst bei hartnäckigen Missachtungen dieser Pflichten trotz Abmahnung möglich.

Die gute Nachricht bei Kitastreik
Wir haben es gefordert, auch im ARD Morgenmagazin, einige Städte wie zB Köln erstatten jetzt auch die Kitagebühren anteilig für Schließungen wegen Streik.

Fazit:

Arbeitnehmer müssen sich auf angekündigte Streiks einstellen und vorausschauend dafür Sorge tragen, trotz Streiks pünktlich am Arbeitsplatz zu erscheinen. Wer das nicht tut, bekommt für diese Zeit keinen Lohn bzw. muss nacharbeiten und risikiert unter Umständen sogar eine Abmahnung.

Eine Ausnahme gilt beim Kitastreik. Kann das Kind nicht anderweitig versorgt werden, darf ein Elternteil zu Hause bleiben, sogar für einige Tage mit Entgeltfortzahlung. Allerdings steigen mit jedem Tag die Anforderungen an die Bemühungen einer anderweitigen Betreuung. In jedem Fall muss eine Verspätung oder Verhinderung immer so früh wie möglich gemeldet werden, damit sich der Arbeitgeber darauf einstellen kann.

Weitere Blogbeiträge zu Bahnstreik und Job:

Mein Job und der Bahnstreik. Verspätung, Abmahnung, Kündigung?

Bahnstreik – Arbeitsrecht: Zug hatte Verspätung zieht nicht!

Blogbeiträge zu Kitastreik und Job:

Kind oder Job: Probleme beim Kita-Streik

Kitastreik: Erstattung des Gebühren?

Mein Kind was birgst Du so bang Dein Gesicht

Interviews u.a.:

WDR aktuell vom 11.5.2015: Eltern zahlen auch bei Kita-Streik. Beiträge zurückfordern. Ein Beitrag von Benjamin Esche mit Rechtsanwältin Jessica Seifert im Interview.

WDR Nachrichten (NRW Kompakt) vom 11.5.2015: Kitastreik: Was Eltern tun können – Tipps und kreative Lösungen. Mit Tipps von Rechtsanwältin Jessica Seifert.

ARD Morgenmagazin vom 08.05.2015: Service: Hilfe! Die Kita streikt. Mit Michael Felser, Rechtsanwalt im Interview mit Anna Planken.

Der Autor des Blogbeitrags, Rechtsanwalt Felser hat zahlreiche Interviews zu Bahnstreik , Kitastreik, Pilotenstreik sowie Lehrerstreik gegeben, u.a.:

WDR EinsLive vom 05.05.2015: Was machen die Bahnmitarbeiter eigentlich wenn sie streiken. Ist das Arbeit oder eher Freizeit. Rechtsanwalt Felser im Telefoninterview

WDR EinsLive vom 9.11.2014: Die Rechte von Bahnkunden bei Streik. Rechtsanwalt Felser live im Studio mit Tina Middendorf. Leider nicht online.

Bild.de vom 17.10.2014: Lokführer laufen Amok | Dürfen DIE uns einfach
das Wochenende versauen? Von FRITZ ESSER und ANNE MERHOLZ mit Interviewzitaten Rechtsanwalt Felser

Bild.de vom 07.10.2014 : Lokführer-Streik | Wer schützt uns
vor diesem Bahnsinn? von Anne Meerholz mit Interviewzitaten Rechtsanwalt Felser

Süddeutsche Zeitung vom 17. Februar 2013: Regelungen zum Arbeitskampf – Wer wann streiken darf. Von Ina Reinsch mit Interviewzitaten Rechtsanwalt Felser

Radio Dresden vom 22.3.2012: Streiks im öffentlichen Dienst – wie ist die Rechtslage. Telefoninterview mit Rechtsanwalt Michael W. Felser

News.de vom 22.02.2010: Lufthansa «Das übliche Streiktheater» Von news.de-Redakteur Christian Mathea mit Interviewzitaten von Rechtsanwalt Felser.

Lehrerfreund vom 08.12.2009: Experteninterview: Dürfen Beamte streiken? Interview mit Rechtsanwalt Michael Felser.

SWR 1 vom 31.05.2008: Interview zum Streikrecht. Rechtsanwalt Felser mit Uwe Bettendorf im Telefoninterview.

Bild.de vom 05.03.2008: Streiks bei Nahverkehr, Kitas, Müllabfuhr | Darf ich meinen Müll jetzt auf die Straße kippen? Von Beatrix Altmann mit Interviewzitaten Rechtsanwalt Felser

Tagesspiegel vom 11.04.2008: DURFTEN DIE STRASSENBAHNER STREIKEN? Interview mit Rechtsanwalt Michael W. Felser.

N-TV Wirtschaftstudio am 05.12.2007: Arbeitsrechtler Michael Felser live zum Bahnstreik

N-TV vom 21.10.2007: Bahnstreik – mit Interview RA Felser live im Wirtschaftstudio

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