„Bildet Banden!“

Zum Thema Scheinselbständigkeit wurde besonders auf unseren Seiten schon viel geschrieben. In manchen Branchen ist die Scheinselbständigkeit an der Tagesordnung. Zur Erinnerung Scheinselbständig sind Menschen, die als Selbständige entlohnt und behandelt werden, in Wirklichkeit aber nach der tatsächlichen Gestaltung des Arbeitsverhältnisses als Arbeitnehmer zu qualifizieren sind.

Wer tatsächlich „echter“ Selbständiger ist und wer tatsächlich ein „echter“ Arbeitnehmer, lässt sich leider nicht anhand von verbindlichen Kriterien eindeutig festlegen. Es handelt sich in JEDEM Fall um eine Einzelfallabwägung. Das Gesetz hilft leider auch nicht mit eindeutigen Kriterien weiter. Nach § 84 HGB ist selbständig, wer im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann. Nach § 7 SGB IV sind Anhaltspunkte für eine (sozialversicherungspflichtige) Beschäftigung eine Tätigkeit nach Weisungen und einer Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers.  Nach § 106 GewerbeO beinhaltet das Weisungsrecht des Arbeitgebers die Möglichkeit den Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher zu bestimmen.

Aus diesen Vorgaben hat sich eine ständige Rechtsprechung entwickelt, die in jedem Fall die möglichen Kriterien für die eine oder andere Sichtweise auf das Arbeitsverhältnis überprüft, abwägt und sich dann für eine der beiden Seiten entscheidet.

Eine Branche, die sich seit Jahren durch „Freiberuflichkeit“ auszeichnet ist der Journalismus. So verzichtet kein Verlag, der zum Beispiel Tageszeitungen produziert, auf freie Kollegen. Ohne diese ist vielerorts eine rechtzeitige Erstellung der Zeitungen gar nicht möglich. Dabei werden die „Freien“ genauso eingesetzt und behandelt, wie dies die angestellten Kollegen werden. Sie unterliegen genauso dem Weisungsrecht des Chefredakteurs, sind genauso in Dienstpläne und Arbeitsabläufe eingegliedert wie die „festen“ Mitarbeiter. Trotzdem dies bekannt ist, muss in jedem Einzelfall vor dem Arbeitsgericht geprüft werden, ob ein Angestelltenverhältnis vorliegt oder nicht.

So hat Beispielsweise das LAG Köln in seiner Entscheidung vom 09.04.2014 (4 Sa 8/14) bei der Abgrenzung eines freien Mitarbeiterverhältnisses zu einem Festen im Rundfunkbereich festgestellt:

„Beide Rechtsverhältnisse unterscheiden sich durch den Grad der persönlichen Abhängigkeit, in der sich der zur Dienstleistung Verpflichtete befindet. Arbeitnehmer ist, wer aufgrund eines privatrechtlichen Vertrags im Dienste eines anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet ist. Das Weisungsrecht kann Inhalt, Durchführung, Zeit, Dauer und Ort der Tätigkeit betreffen. Arbeitnehmer ist derjenige Mitarbeiter, der nicht im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann. Dabei sind alle Umstände des Einzelfalls in Betracht zu ziehen und in ihrer Gesamtheit zu würdigen. Der jeweilige Vertragstyp ergibt sich aus dem wirklichen Geschäftsinhalt. Die zwingenden gesetzlichen Regelungen für Arbeitsverhältnisse können nicht dadurch abbedungen werden, dass die Parteien ihrem Arbeitsverhältnis eine andere Bezeichnung geben. Der objektive Geschäftsinhalt ist den ausdrücklich getroffenen Vereinbarungen und der praktischen Durchführung des Vertrags zu entnehmen. Widersprechen sich Vereinbarung und tatsächliche Durchführung, ist Letztere maßgebend.“ (LAG Köln a.a.O. zitiert nach Juris Rdnr. 32)

In diesem zitierten Urteil schwang das Pendel für die Rundfunkanstalt und gegen den damit freien Mitarbeiter aus. Doch auch andere Gerichte haben sich mit diesen Themen beschäftigt. Zum Beispiel das LAG Bremen am 18.01.2012 – Az. 2 Sa 39/11, aber auch das BAG am 20.05.2009 – Az. 5 AZR 31/08.

In vielen Fällen haben die Medienbetreibenden Recht bekommen. In manchen aber auch nicht. Was gerne vergessen wird bei dem Vorliegen einer Scheinselbstständigkeit ist die gleichzeitige Erfüllung eines Tatbestandes des Vorenthaltens von Sozialversicherungsbeiträgen. (§ 266a StGB) Durch diese Nichtabführung von Sozialversicherungsleistungen entstehen der Rentenversicherung und damit letztlich der ganzen Gesellschaft hohe Schäden. Ärgerlich besonders, wenn man weiß, dass Arbeitgeber daran verdienen, in dem sie diese Sozialversicherungsbeiträge „ersparen“. Viele auch, die es sich eigentlich leisten können, diese ordnungsgemäß abzuführen und für gute Arbeit auch entsprechend gut zu entlohnen.

Besonders freut einen dann die heutige Meldung des Newsletters der Meedia GmbH & Co KG – selber ein Unternehmen der Verlagsgruppe Handelsblatt GmbH & Co KG. Danach ermittelt der Zoll gegen das Medienunternehmen Neven Du Mont Schauberg wegen deren Umgang mit den freien Mitarbeitern.  Den Artikel finden Sie hier: http://meedia.de/2015/04/10/das-geschaeft-mit-den-festen-freien-ermittler-durchleuchten-m-dumont-schauberg/

Wir sind sehr gespannt darauf, was der Zoll ermittelt und ob der Verlag hier Beiträge nachzahlen darf. Muss man erwähnen, dass kurz nachdem die Tinte unter dem Manteltarifvertrag der festangestellten Redakteure trocken war – und bis dato zahlte Neven Du Mont nach Tarif, ruchbar wurde, dass die Redaktionen dieser Verlagsgruppe teilweise zusammengelgt werden sollten und in eine neue Tariffreie Gesellschaft überführt werden sollten? Muss man nicht. Diese neue Gesellschaft existiert und arbeitet – natürlich auch weiterhin mit „freien“ Mitarbeitern.

Daher steht an meinem Aufsatz zu Beginn das Zitat einer Mandantin, bei der unsere Kanzlei ein Statusverfahren vertreten hat. Nur wenn man sich organisiert, wird man gegen gebündelte Machtstrukturen vorgehen können. Nur, wer sich organisiert und nachforscht wird herausfinden, ob sein Arbeitsverhältnis vielleicht kein „freies“ ist sondern eines mit Sozialversicherungsrechtlichen Pflichten und Rechten. Sollten Sie hier Fragen haben, möchte ich auf unsere „13 Rechtsirrtümer zur Scheinselbständigkeit“ in diesem Blog verweisen. Oder, Sie machen direkt einen Beratungstermin mit unserer Kanzlei aus. Wir stehen Ihnen gerne mit Rat und Tat zur Seite.

Jessica Seifert, Rechtsanwältin

 

 

 

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