Gilt beim GmbH-Geschäftsführer die kurze Kündigungsfrist aus § 621 BGB oder die längere, eigentlich für das Arbeitsverhältnis vorgesehene Kündigungsfrist nach § 622 BGB; diese Frage stellt sich bei einer Kündigung eines Geschäftsführers immer dann, wenn im Geschäftsführeranstellungsvertrag selbst eine vertragliche Regelung der Kündigungsfrist nicht vorgesehen ist, also die gesetzliche Kündigungsfrist massgeblich ist. Die Kündigungsfristen des § 621 BGB gelten nach dem Wortlaut der Vorschrift für ein „Dienstverhältnis, das kein Arbeitsverhältnis im Sinne des § 622 BGB ist“. Das würde ja auf den Geschäftsführeranstellungsvertrag passen. Gleichwohl wendet der Bundesgerichtshof die Kündigungsfristen des § 622 BGB, der eigentlich nur für Arbeitsverhältnisse gilt, entsprechend auf Kündigungen von Geschäftsführerverträgen an. Interessanterweise mit folgender Begründung:

„Indes gebieten es die Interessen des Geschäftsführers und der Gesellschaft, § 622 Abs. 1 Satz 1 BGB auf die Kündigung des Anstellungsverhältnisses entsprechend anzuwenden. Das hat der Senat bereits für den Fall entschieden, daß der Geschäftsführer nicht oder nicht maßgeblich an der Gesellschaft beteiligt ist (BGHZ 79, 291 ff.; Urt. v. 11. Mai 1981 – II ZR 126/80, WM 1981, 759, 760). Dabei hat er vor allem für wesentlich angesehen, daß der Geschäftsführer – wie ein Arbeitnehmer – der Gesellschaft seine Arbeitskraft hauptberuflich zur Verfügung stellt und von ihr je nach der Höhe seines Gehalts mehr oder weniger wirtschaftlich abhängig ist. Weiter hat der Senat ausgeführt, daß der Geschäftsführer hinreichender Zeit bedarf, sich nach einer anderen hauptberuflichen Beschäftigung umzusehen, wie auch die Gesellschaft eine genügende Zeitspanne benötige, um einen qualifizierten Nachfolger zu suchen und einzustellen; dem werde eine Kündigung gemäß § 622 Abs. 1 Satz 1 BGB eher gerecht als eine solche gemäß § 621 Nr. 3 BGB. Diese Gesichtspunkte treffen für die Kündigung des Anstellungsvertrages eines Geschäftsführers, der, wie im Streitfall, einen maßgeblichen Teil des Stammkapitals hält, ebenfalls zu. Auch er ist typischerweise hauptberuflich für die Gesellschaft tätig und damit mehr oder weniger von ihr wirtschaftlich abhängig. Ebenso braucht er bei einer Kündigung des Anstellungsverhältnisses ausreichend Zeit, sich anderweitig hauptberuflich zu orientieren, wie die Gesellschaft im Falle seiner Kündigung einen gewissen Zeitraum nötig hat, einen neuen qualifizierten Geschäftsführer zu finden.“

BGH vom 26.03.1984 Aktenzeichen II ZR 120/83

Die Begründung ist deswegen interessant, weil nach h.M. bei freien Mitarbeitern, die jedenfalls als arbeitnehmerähnliche Personen in vergleichbarer Lage sind und noch eher den Schutz des § 622 BGB benötigten, nur die kurzen Kündigungsfristen des § 621 BGB Anwendung finden sollten (JuracityBlog berichtete).

Auch die nach der Dauer der Betriebszugehörigkeit verlängerten Kündigungfristen nach § 622 Absatz 2 BGB sind auf die Kündigung des Geschäftsführers anzuwenden:

„Vor Inkrafttreten des Kündigungsfristengesetzes vom 15.10.1993 ging der Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung davon aus, daß § 622 Abs. 1 Satz 1 BGB auf die Kündigung des Anstellungsverhältnisses des Geschäftsführers einer GmbH, der keinen beherrschenden Einfluß auf die Gesellschaft ausüben kann, entsprechend anwendbar ist (BGH, Urteil vom 09.03.1987 – II ZR 132/86 – NJW 1997, 2073 f; ferner Urteile vom 26.03.1984 – 2 ZR 120/83 -, NJW 1984, 2528 f und vom 29.01.1981 – II ZR 92/80 -, NJW 1981, 1270 f). Der entsprechenden Anwendung des § 622 Abs. 1 Satz 1 BGB a.F. stand nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht einmal die Beteiligung des Geschäftsführers am Kapital der Gesellschaft entgegen (Urteil vom 26.03.1984 – 2 ZR 120/83 -, aaO). Der Bundesgerichtshof hat die entsprechende Anwendung des § 622 Abs. 1 Satz 1 BGB a.F. damit gerechtfertigt, daß die Interessenlage eines Geschäftsführers einer GmbH, der der Gesellschaft seine ganze Arbeitskraft zur Verfügung stellt, mit der eines Arbeitnehmers vergleichbar sei; auch ein Geschäftsführer müsse in einem solchen Fall nach einer Kündigung hinreichend Zeit haben, sich nach einer anderen hauptberuflichen Beschäftigung umzusehen.

Das Bundesarbeitsgericht hat sich dieser Rechtsprechung angeschlossen (BAG, Urteil vom 27.06.1985 – 2 AZR 425/94 -, NZA 1986, 794 L). Das Bundesarbeitsgericht wendete dabei auch das Angestellten-Kündigungsschutzgesetz, das verlängerte Kündigungsfristen für langjährig beschäftigte Angestellte normierte, entsprechend auf Geschäftsführer einer GmbH an, sofern sie sozialversicherungsrechtlich wie Angestellte mit einer angestelltenversicherungspflichtigen Tätigkeit zu behandeln waren (BAG, Urteil vom 27.06.1985, aaO). Dem hat sich wiederum der Bundesgerichtshof angeschlossen (Urteil vom 09.03.1987 – 2 ZR 132/86 -, aaO, 4 a der Gründe). Auch das Oberlandesgericht München hat das damalige Angestellten-Kündigungsschutzgesetz entsprechend auf die Kündigung des Geschäftsführers einer GmbH angewendet (Urteil vom 15.02.1984 – 7 U 4750/83 -).“

(Landesarbeitsgericht Köln, Urteil vom 18. November 1998 – 2 Sa 1063/98 –, juris)

Die Kündigungsfristen des § 622 BGB  gelten also nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und des Bundesarbeitsgerichts für die Kündigung von Geschäftsführern ohne Gesellschaftsanteilen (sog. Fremdgeschäftsführer) und Geschäftsführer mit Gesellschaftsanteilen, sofern die Beteiligung unter 50 % liegt. Bei den die Gesellschaft beherrschenden Geschäftfsführern soll nach dem Willen des Bundesgerichtshof § 621 Nr. 3 BGB Anwendung finden, aber wer sollte dem beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer wohl kündigen?

Für die Abberufung des Geschäftsführers gelten im übrigen, von abweichenden vertraglichen Regelungen einmal abgesehen, keine Fristen. Sie ist jederzeit möglich, wenn nichts anderes vereinbart ist (z.B. eine Koppelung an den Bestand des Dienstvertrags).

Jede gute Nachricht hat eine Kehrseite: Die längeren Kündigungsfristen nach § 622 Abs. 2 BGB gelten auch für die Eigenkündigung des Geschäftsführers, wenn im Vertrag für beide Seiten eine entsprechende Klausel aufgenommen ist. Fehlt diese allerdings, verlängert sich durch die Betriebszugehörigkeit nur die Kündigungsfrist für das Unternehmen.

Michael W. Felser
Rechtsanwalt
Felser Rechtsanwälte und Fachanwälte

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