Kündigung leitender Angestellter

Um die Kündigung leitender Angestellter ranken sich viele Mythen. Ein Rechtsirrtum besagt, dass leitende Angestellte keinen Kündigungsschutz genießen, also ohne Grund gekündigt werden könnten. Allerdings besteht bereits beim Begriff des leitenden Angestellten oft ein Irrtum, die meisten innerbetrieblich oder auch in der Öffentlichkeit als leitende Angestellte angesehenen Arbeitnehmer sind nämlich arbeitsrechtlich gar keine leitenden Angestellten.

Doch der Reihe nach: Wann ist ein Arbeitnehmer ein leitender Angestellter? Welche Folgen hat der Status des leitenden Angestellten bei einer Kündigung für die Führungskraft? Wie verhalte ich mich als angeblich leitender Angestellter bei Kündigung oder der Ankündigung einer Trennung?

Wann ist eine Führungskraft leitender Angestellter?

Ich habe es bereits erwähnt: die meisten als leitender Angestellter angesehenen Arbeitnehmer sind arbeitsrechtlich keiner. Zwar ist häufig sogar im Arbeitsvertrag vereinbart, dass der Arbeitnehmer  „leitender Angestellter“ ist. Der Status ist jedoch für arbeitsrechtliche Fragen und auch die Kündigung objektiv zu bestimmen; was im Arbeitsvertrag steht ist völlig irrelevant. Man kann im Arbeitsvertrag keine vom Gesetz abweichende Stellung begründen, auch wenn der Arbeitnehmer das unterzeichnet hat oder damit einverstanden ist.

Also ist festzuhalten: Die Bezeichnung im Arbeitsvertrag ist irrelevant.

Unerheblich ist auch, ob man sich selbst als Leitender Angestellter angesehen hat. Der Status ist im Kündigungsschutzgesetz selbst geregelt und von den Arbeitsgerichten mit Inhalt ausgefüllt worden. Doch dazu später.

Unerheblich ist nämlich auch, ob man betriebsverfassungsrechtlich als leitender Angestellter anzusehen ist. Auch wenn man den Sprecherausschuss mitgewählt hat oder sogar Mitglied eines Sprecherausschusses der leitenden Angestellten war, spielt für die Kündigung keine Rolle. Das Betriebsverfassungsgesetz definiert den Begriff des leitenden Angestellten nämlich anders – und zwar weiter – als das Kündigungsschutzgesetz.

Nach dem Kündigungsschutzgesetz ist nämlich nur leitender Angestellter, wer eine betriebsleiterähnliche Funktion hat UND zur selbständigen Einstellung ODER Entlassung von Arbeitnehmern berechtigt ist.

Der Gesetzestext des Kündigungsschutzgesetzes definiert den Begriff des leitenden Angestellten in § 14 Absatz 2 KSchG näher:

§ 14 Angestellte in leitender Stellung

(1) Die Vorschriften dieses Abschnitts gelten nicht

1. in Betrieben einer juristischen Person für die Mitglieder des Organs, das zur gesetzlichen Vertretung der juristischen Person berufen ist,
2. in Betrieben einer Personengesamtheit für die durch Gesetz, Satzung oder Gesellschaftsvertrag zur Vertretung der Personengesamtheit berufenen Personen.

(2) Auf Geschäftsführer, Betriebsleiter und ähnliche leitende Angestellte, soweit diese zur selbständigen Einstellung oder Entlassung von Arbeitnehmern berechtigt sind, finden die Vorschriften dieses Abschnitts mit Ausnahme des § 3 Anwendung. § 9 Abs. 1 Satz 2 findet mit der Maßgabe Anwendung, daß der Antrag des Arbeitgebers auf Auflösung des Arbeitsverhältnisses keiner Begründung bedarf.

Soweit der Gesetzestext. Wie immer lässt das Gesetz viele Fragen offen, die die Arbeitsgerichte aber weitgehend geklärt haben.

Zum einen muss eine einem Betriebsleiter ähnliche Stellung im Betrieb bestehen, zum anderen ist nur die Führungskraft leitender Angestellter, die zur selbständigen Einstellung ODER Entlassung berechtigt ist.

Am zweiten Merkmal scheitern die meisten Kündigungen, bei denen das Unternehmen von dem Status eines leitenden Angestellten ausgegangen ist.

Selbständig bedeutet in diesem Zusammenhang nämlich zum einen, dass man bei der Kündigung nicht nur ausführendes Organ ist wie die meisten Personalleiter, sondern im so gut wie frei über Einstellung und Entlassung entscheiden kann. Wer unterzeichnet, ist in diesem Zusammenhang ebenfalls nicht entscheidend.

Zum anderen müssen die Personalbefugnisse prägend für die Tätigkeit sein. Wer also über die Einstellung seiner Assistentin oder seines Assistenten frei entscheiden darf, wird dadurch noch lange nicht zum leitenden Angestellten.

In einem Gutachten ist der Unterzeichner bei der Personalleiterin eines großen LKW Herstellers zum Ergebnis gekommen, dass diese keine leitende Angestellte ist. Der Anwalt des Unternehmens, ein bekannter Arbeitsrechtler, kam zum gleichen Ergebnis. Man sieht daran, dass der Begriff des leitenden Angestellten fast inflationär gebraucht wird, besonders aber wenn eine Trennung ansteht.

Folge des Status leitender Angestellter bei Kündigung

Es hat Gründe, warum Unternehmen Führungskräfte gerne als leitenden Angestellten ansehen. Zwar stimmt es nicht, dass leitende Angestellte keinen Kündigungsschutz geniessen, also wie Geschäftsführer ohne Grund entlassen werden können. Denn das Kündigungsschutzgesetz besagt nicht, dass leitende Angestellte keinen Schutz gegen Kündigung geniessen sondern nur, dass der Arbeitgeber auch bei einer unwirksamen Kündigung beim Arbeitsgericht beantragen kann, dass das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung aufgelöst werden kann. Das ist zwar auch nicht günstig für die Führungskraft, weil die Arbeitsgerichte selten über die Abfindungsformel hinausgehen. In der Praxis werden bei einvernehmlichen Trennungen deutlich höhere Formeln angesetzt.

Wichtig ist aber, dass das Kündigungsschutzgesetz auch bei leitenden Angestellten gilt. Ausserdem muss der Betriebsrat nach § 105 BetrVG auch bei leitenden Angestellten beteiligt werden.

Noch wichtiger ist aber, dass die meisten leitenden Angestellten gar keine sind, also vollen Kündigungsschutz geniessen, was die Chancen auf eine höhere Abfindung deutlich steigert. Weitere Folge ist, dass der Betriebsrat nicht nur nach § 105 BetrVG, sondern ganz normal nach § 102 BetrVG beteiligt werden muss und Widerspruch gegen die Kündigung erheben kann.

Wie verhalte ich mich als angeblich leitender Angestellter, wenn das Unternehmen sich trennen will?

Wichtig ist in jedem Fall, frühzeitig einen qualifizierten und erfahrenen Anwalt zu Rate zu ziehen. Die höchsten Abfindungen lassen sich meistens aussergerichtlich erzielen. Dabei sollte der Status des leitenden Angestellten frühzeitig untersucht und gegenüber dem Unternehmen qualifiziert bestritten werden. Besserer Kündigungsschutz bedeutet regelmäßig eine höhere Abfindung. Ein Rechtsstreit lässt sich nicht immer vermeiden, aber er bedeutet Zeitverlust und lenkt von der weiteren beruflichen Entwicklung ab.

Die Erfahrung lehrt, dass eine schnelle Einigung vor allem durch frühzeitige qualifizierte anwaltliche Begleitung und zügige Kontaktaufnahme mit dem Anwalt des Unternehmens erreicht werden kann.

Welche Kriterien sollte der Anwalt eines leitenden Angestellten erfüllen?

Der Anwalt sollte Erfahrung in der Vertretung leitender Angestellter und Verhandlungsgeschick haben. Er sollte nicht nur die Rechtslage gründlich prüfen, sondern auch die aktuelle Situation und die  Zukunft des Mandanten im Auge haben. Neben Erfahrung in der Vertretung leitender Angestellter ist Erfahrung in der Beratung von Betriebsräten und Sprecherausschüssen nützlich. Denn diese können entgegen verbreiteter Auffassung unter Führungskräften für den angeblich leitenden Angestellten einiges tun, was eine zügige gütliche Einigung zu guten Bedingungen fördert.

 
Rechtsanwalt Michael W. Felser
Felser Rechtsanwälte und Fachanwälte
Köln und Brühl

Der Autor hat jahrelange Erfahrung in der Beratung und Vertretung zahlreicher Führungskräfte sowie echter und vermeintlicher leitender Angestellter. Nützlich erweist sich oft, dass der Autor auch Betriebsräte und Sprecherausschüsse berät und vertritt.
Autor des mit der Arbeiterichterin Frau Lore Seidel geschriebenen
Ratgebers „Kündigung – was tun?“
Autor zahlreicher weiterer Fachbeiträge zum Thema Kündigung, insbesondere zur Anhörung des Betriebsrats bei der Kündigung.
Rechtsanwalt Felser gibt als Arbeitsrechtsexperte regelmäßig Interviews im WDR Fernsehen und Radio [5], für Bild und Bild.de [6] sowie für die Süddeutsche Zeitung [7]
Als Arbeitsrechtsexperte hat er weit über 100 Interviews auch für Medien wie Focus, Capital, Wirtschaftsmedien und Tageszeitungen gegeben.

Mehr Informationen finden Sie in unserem Rechtslexikon unter dem Stichwort „Leitender Angestellter“ sowie in den untenstehenden weiteren Blogbeiträgen.

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